auf dem Containerschiff „WOERMANN MIRA“
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Entdeckt im Internet
Abdruck mit freundlicher Genehmigung durch Rainer Kluge (vor Jahren allzu früh verstorben)
Wie ich überhaupt zur Begeisterung für die Seefahrt kam? Ein sicher nicht ganz alltäglicher Weg:
Geboren wurde ich am 23.12.1955 in Bayern, Mein Vater war Arzt, meine Mutter Hausfrau. Ich wuchs in Oberstdorf im Allgäu und Dingolfing in Niederbayern auf.
Fünf Jahre besuchte ich die Volksschule und vier Jahre das Gymnasium (ohne Abschluss).
Von 1971 bis 1974 absolvierte ich eine Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann in einem Modekaufhaus in Landshut. Von 1974 bis 1976 war ich Verkäufer im Einzelhandel in München. Im Jahre 1976 zog ich nach Berlin um und wurde Nachwuchskraft im „Kaufhaus des Westens“, war 1978 bis 1980 freigestelltes Betriebsratsmitglied im KaDeWe, besuchte in dem Zusammenhang zahlreiche Lehrgänge für „Arbeitsrecht“. 1980 bis 1983 war ich Gewerkschaftssekretär bei der DAG in Niedersachsen und später in Berlin, Mitglied der Tarifkommission Einzelhandel, Jugendgruppenleiter, arbeitete in der Erwachsenenbildung und war mit der Leitung von Wochenendseminaren zu verschiedenen Themen betraut. 1983 bis 1984 war ich Personalleiter im Nahrungsmittelgroßhandel in Berlin.
Dann folgte von 1984 bis 1985 meine kurze aber intensiv erlebte Seefahrtszeit als Messesteward bzw. als Alleinsteward bei Sloman Neptun.
Rainer Kluge ist inzwischen verstorben.
Hier nun der Reisebericht des Messestewards Rainer Kluge:
Nachdem also die Zusage der „Sloman Neptun Schiffahrt AG“ aus Bremen kam, bemühte ich mich sofort um meine Papiere. So musste z.B. der Reisepass noch reichlich gültig sein. Dann kam der Gang zum Landes-Tropeninstitut, wo ich mir die Impfungen gegen Gelbfieber und Cholera verpassen ließ. Als nächstes war ein sogenanntes Seediensttauglichkeitszeugnis notwendig, sowie eine spezielle Hygienebescheinigung, damit ich auch für „Küchendienst und Bedienung“ anheuern konnte. Zum Glück gab es auch in Berlin einen Arzt, der befähigt war, solche Bescheinigungen auszustellen und ich musste nicht extra dafür an die Küste fahren.
Meine Wohnung in Berlin wollte ich natürlich weder aufgeben noch über Monate leer stehen lassen. Also nahm ich mir einen Untermieter.
Endlich kam von der Reederei die Aufforderung, mich am 16.07.1984 in Bremen abreisebereit einzufinden. Die Reaktionen im Bekanntenkreis waren sehr verteilt: einige konnten es überhaupt nicht verstehen, wie man seinen Job als Personalleiter aufgeben kann und dann "sozial so tief" weiterarbeitet. Andere dagegen hatten volle Bewunderung für den Mut zu diesem Schritt und einige waren regelrecht neidisch geworden.
Die Aufregung wuchs enorm und es ging ans Abschiednehmen bei Freunden und Familie. Die schon lange vorher vorbereitete Kofferliste wurde abgearbeitet, alles im Auto verstaut.
SCHIFFSTAGEBUCH 1.Woche
01.Tag - Montag, 16.07.1984
Nach vor lauter Aufregung schlechtem, kurzem Schlaf um 02.30 Uhr in Berlin mit dem Wagen gestartet. Es hat morgens in Bremen 10° C und Nieselregen als ich um 08.00 Uhr bei der Reederei meinen Heuervertrag unterschreibe. Ich steige als Messesteward, 5.Berufsjahr auf dem Containerschiff „WOERMANN MIRA“ ein.
Mit dem Vertrag in der Tasche muss ich noch zum Seemannsamt und hole mir gegen Bezahlung von DM 20,-- mein Seefahrtbuch ab.
Mein schweres Gepäck wuchte ich dann noch quer durch den Kohlenhafen und bin um 10.00 Uhr an Bord, wo mein Vorgänger G. mich schon freudig erwartet, denn er wird durch mich abgelöst und kann seinen ersehnten Urlaub beginnen. Er zeigt mir im Schnelldurchlauf meinen künftigen Arbeitsbereich und dies und das an Bord.
Vollkommen neue Eindrücke und auch Ausdrücke. Mein Arbeitsraum zwischen Küche (Kombüse) und Speiseraum (Mannschaftsmesse) nennt sich Pantry. Die Kabinen an Bord heißen Kammern - egal ob es die der einfachen Mannschaftsgrade oder vom Kapitän sind.
Charly ist der 1.Steward an Bord und somit mein unmittelbarer Vorgesetzter, der auf mich einen netten und witzigen Eindruck macht.
Der Heimathafen unseres Schiffes ist Bremen und daher geht es an Bord wie in einem Bienenstock zu. Viele Leute werden hier routinemäßig abgelöst und der erste Eindruck für mich als Laien ist, dass sich hier die alte und die neue Besatzung gegenseitig im Wege stehen - die einen sind noch nicht ganz weg und die anderen noch nicht ganz da. Lebensmittel werden an Bord gebracht, von der Reederei sind wichtige Leute auf allen Decks unterwegs, ständig wird irgendjemand gerade gesucht, es wird geflucht und gelacht.
Ich habe eine Kammer für mich alleine, die mir auf Anhieb gemütlich vorkommt. Lediglich die Dusche und das WC muss ich mir mit dem 1.Steward teilen. Das ist für mich als Landratte doch ein sehr witziges System: diese Nasszelle liegt zwischen den beiden Kammern und hat von jeder Seite einen Zugang. Ist einer drin, dann verriegelt er dem Nachbarn den Zugang von innen. Abends ein letzter kurzer Landgang. Todmüde und voller neue Eindrücke und Gerüche falle ich um 01.00 Uhr endlich in meine Koje.
02.Tag - Dienstag, 17.07.1984
Um 05.30 ist Wecken, Arbeitsbeginn um 06.00 Uhr. Es geht los mit Säubern der Mannschaftsmesse und Pantry, für das Frühstück wird eingedeckt. Wenn alle fertig sind wird aufgeräumt und anschließend beginnt das Putzen der Kammern. Vor- und Nacharbeiten beim Mittagessen, es folgen 1,5 Stunden Mittagspause, Putzen und die üblichen Arbeiten zum Abendessen, also Tische eindecken, das Essen bringen, danach abräumen und abschließend der Abwasch. Danach ist für mich Feierabend. Es geht schon einigermaßen mit dem Arbeiten und einige sprechen mir Mut zu und meinen, dass ich alles schnell kennen und beherrschen werde.
Heute ist zu hören, dass das Schiff in die USA verkauft werden soll. Wenn man den Gerüchten glauben darf werden wir bis nach Matadi in Zaire fahren und dann leer in die Staaten. Von dort fliegt die Besatzung wieder nach Deutschland. Es soll niemand entlassen werden, da die Reederei angeblich neue Gastanker kauft bzw. bauen lässt. Wie sicher ist mein neuer Arbeitsplatz? Um 16.00 Uhr haben wir die Leinen losgemacht und brechen von Bremen nach Hamburg auf. Auf unserem schwimmenden Untersatz ist plötzlich die Unruhe des Hafens gewichen, alle scheinen erleichtert zu sein, dass wir abgelegt haben. Es hat Windstärke 6 und schaukelt nur wenig. Dennoch habe ich als Landei ganz bestimmt einen sehr seltsamen Gang ...
Ich habe es genossen ca. eine Stunde ganz vorne am Bug im Wind zu stehen und blieb noch lange an Deck in der Abenddämmerung. Um 23.00 Uhr sehen wir die Lichter von Cuxhaven, es ist also nicht mehr weit bis zur Elbemündung. Bei dem leichten Seegang habe ich erstmals das Klappern des Geschirrs gehört, das mich nun lange begleiten wird.
03.Tag - Mittwoch, 18.07.1984
Beim Wecken waren wir bereits in Hamburg am Kai von "Holz-Müller" im Waltershofer Hafen. Heute gibt es für mich viel Arbeit, da wir zusätzlich zur normalen Besatzung noch 3 Vorleute und 6 Zöllner an Bord verpflegen. Außerdem ist es üblich, dass einige aus der Offiziersmesse in „meiner“ Mannschaftsmesse essen, wenn sie sich aus Zeitgründen nicht umziehen können.
Mittags bekomme ich schon die erste Post an Bord. 5 Briefe. Na da waren meine Freunde an Land ja fleißig.
Nachdem ich nach dem Abendessen die Pantry geschrubbt habe gehe ich an Deck und beobachte alles ganz neugierig: wir verholen zum Afrika-Terminal - es geht vorbei an der Werft von Blohm & Voss und an den Hamburger Landungsbrücken. Das Schiff (der „Dampfer“, wie man es an Bord nennt) wird mit sehr vielen Leinen und Tauen festgemacht. Es ist ein sehr kühler Wind auf Deck und ich friere trotz Jacke.
Über meinem Bett (Koje) habe ich jetzt eine Weltkarte aufgehängt in der ich unsere Route im Laufe der Reise eintragen werde. Mögen es viele Länder werden, die ich hoffentlich immer gesund und glücklich erreiche. Es steht jetzt offiziell fest, dass wir in den USA ausmustern. Unser Schiff wird zum Versorger für die schnelle Eingreiftruppe.
04.Tag - Donnerstag, 19.07.1984
Obwohl es viel zu tun gibt - oder vielleicht gerade deswegen - vergeht die Zeit heute wie im Fluge und es gibt eigentlich nichts Besonderes zu berichten. Nach Feierabend fotografiere ich unseren Pott an der Pier.
Wegen des Verkaufs des Schiffes werden schon alle Bücher und Spiele, aber auch der Flipper und die Tischtennisplatte von Bord gebracht. Verpflegung und Kantine führen wir nur noch für 70 Tage mit uns.
Abends kurz in Hamburgs Innenstadt gebummelt.
05.Tag - Freitag, 20.07.1984
Der Betriebsrat ist an Bord. Auf meine Frage hin wird mir von ihm versichert, dass es nach dem Verkauf des Schiffes keine Entlassungen geben wird. Ich will hoffen dass es stimmt und lege hiermit meine Sorgen beiseite.
Wir haben Proviant für ca. 7 Wochen an Bord genommen. Heute geht es richtig los: Wir verlassen Deutschland und ich werde noch nie so lange außer Landes gewesen sein. Neue Kontinente (Afrika und Amerika) werden von mir "erobert". Um 23.00 Uhr sollen wir "Leinen los" haben, aber ich bin schon um 22.00 Uhr im Bett, weil ich morgen früh an Deck sein will.
06.Tag - Samstag, 21.07.1984
Um Mitternacht wache ich kurz auf - wir fahren bereits hinter Hamburg elbabwärts. Um 04.00 erneut wach - die Kammertür klappert und ich helfe mir mit zwei Bierdeckeln weiter. Für mich sind natürlich alle Geräusche noch fremd, selbst der Boden vibriert durch den Maschinenbetrieb. Der Lotse ging gerade von Bord als ich gegen 05.15 an Deck gehe. Leichter Wellengang bei grauem Himmel. Am Horizont regnet es und langsam erreichen uns auch die ersten Tropfen. Steuerbord sieht man das Leuchtfeuer von Helgoland. Wie gut dass ich mein Fernglas mitgenommen habe - heute benutze ich es zum erstenmal.
Die Pantry betrete ich schon um 05.45 Uhr. Und dann ging die Schaukelei auch schon vor dem Frühstück los. Ich schaffe es gerade noch zur Toilette für die Matrosen.... Später habe ich noch mal gebrochen und fühle mich danach vollkommen schlapp und könnte beim Putzen mühelos einschlafen. Totale Lustlosigkeit macht sich breit - die Seekrankheit hat also voll zugeschlagen. Meine Kollegen amüsieren sich teilweise über meinen Zustand und ich bekomme jede Menge "tolle" Tipps. Ich solle mir doch einfach einen Hering in den Hals hängen usw. Naja im Laufe des Tages geht es mir dann aber doch deutlich besser. Das Schaukeln ist nicht weniger geworden, aber der Körper scheint sich daran zu gewöhnen.
Gewöhnt haben sich auch die Möwen... und zwar an unsere Wegwerfgesellschaft. So ignorieren sie über Bord geworfene Kartons mit Kennerblick.
Der heutige Arbeitstag war mir doch sehr anstrengend gewesen und die Luft in der Messe war beim Schaukeln auch sehr schlecht. Jeder Kenner der Materie schmunzelt jetzt sicherlich - aber es sind hier meine ersten Eindrücke, die ich zu Papier bringe und ich schreibe es einfach so auf, wie ich es im Moment empfinde.
Vor der Einfahrt nach Rotterdam liegen eine Menge Schiffe auf Reede. Die Einfahrt in den Hafen erlebe ich vorne am Steven. Dem 2.Offizier kann ich hier all meine neugierigen Fragen stellen und er beantwortet sie mir bereitwillig. Um 22.00 Uhr todmüde ins Bett gefallen.
07.Tag - Sonntag, 22.07.1984
Wochenend und Sonnenschein.... Es ist ein wolkenloser Sonntag und eine herrliche Ruhe liegt über dem Hafen von Rotterdam. Auch in meiner Messe ist es ruhig - einige schlafen länger und die anderen blicken froh, doch etwas verschlafen drein. Niemandem fehlt die Hektik der letzten Tage in Deutschland. Mittags konnte ich erstmals 2 Stunden Pause machen.
Auf Anraten meiner Kollegen sammele ich jetzt im Reinigungsstore Plastikgefäße und Weinkaraffen, die man in Matadi gegen Souveniers eintauschen kann.
Was fällt mir sofort auf auf dem mir doch noch recht fremden Schiff: Hier wird nicht gespart. Überall Festbeleuchtung und mein 1.Steward verbietet mir das Licht in der Messe auszumachen, obwohl man es nicht bräuchte. Also an Land hört man nur noch von Energie sparen - aber hier draußen auf See ist man natürlich nicht mit dem Alltagskleinkram an Land konfrontiert.
Nach Feierabend zur "Sloman Record" gelaufen, einem Kümo unserer Reederei, der gerade im Beatrixhafen liegt. Oh je, da war alles ganz eng und klein und mir wird klar, welch großes Schiff die "Mira" eigentlich ist.
Am späten Abend kommt ein Bekannter von mir an Bord. Er wohnt in Scheveningen, was nicht so weit weg ist. Wir machen Landgang in Den Haag, da er ein Auto hat. Als Neuling bin ich der einzige an Bord, der hier jemanden kennt.
2.Woche
08.Tag - Montag, 23.07.1984
Unser Verpflegungsteam (1. + 2. Steward und Koch) sind bei bester Laune. Die Ruhe gestern hat allen gut getan.
Fliegende Händler kommen an Bord und wollen uns zollfrei Armbanduhren verkaufen. Als Fracht wurden heute etliche VW-Käfer geladen. Gegen 17.00 Uhr werden die Leinen gelöst in Rotterdam und bei ruhiger See und trockenem Wetter geht es in Richtung Antwerpen.
Nach Feierabend war ich wieder eine gute Stunde auf meinem Lieblingsplatz, der Back (also ganz vorne am Bug des Schiffes) und mein Fernglas war wieder ein wichtiges Utensil. Ich fühle mich sehr wohl.
09.Tag - Dienstag, 24.07.1984
Beim Aufwachen liegen wir bereits im 6.Havendok in Antwerpen. Demnach gab es also nachts an der Schleuse keine Wartezeit. Es ist diesig und schwül in Belgiens größter Hafenstadt. Es wird bei uns das überschüssige Geschirr abgeholt und auf die „SLOMAN ROVER“ gebracht. Apropos Rover.... Landrover werden heute geladen. Meine Arbeit macht jetzt Spaß und ich habe auch den nötigen Schwung dazu, da ich nun schon mehr weiß und nicht mehr so viel fragen muss.
Nach getaner Arbeit folgt der Landgang und als erstes besichtige ich den Bahnhof. Das kann ich nur jedem Reisenden empfehlen: sieh Dir den Bahnhof an - er gilt als der schönste Europas. Die Biere danach haben dann doch sehr gut geschmeckt und ich komme erst um 04.30 Uhr wieder an Bord zurück...
10.Tag - Mittwoch, 25.07.1984
Also eine Stunde Schlaf in der letzten Nacht war natürlich erheblich zu wenig.... also wird heute ein Mittagschlaf eingelegt. Trotzdem war der Tag noch anstrengend genug für mich und Dienstschluss war erst gegen 20.30 Uhr. Seit heute habe ich vier Kammern zu betreuen (Chief, 2.Ing., 3.Offizier und Elektriker).
Wir sollten um 16.00 Uhr ablegen, haben das auch getan aber da sprang unser Diesel nicht an. So mussten wir wieder anlegen, die Schlepper trennten sich von uns, der Lotse ging wieder von Bord. Das sind Kosten in Höhe von DM 10.000.-- (ein für mich Laien unwahrscheinlich hoher Betrag).
Nach Feierabend mache ich es mir gemütlich: mit meinem Weltempfänger ausgerüstet paffe ich genüsslich ein Zigarillo, trinke mein Beck's und schreibe zwei Briefe am Tisch neben dem Swimmingpool. Um 23.00 Uhr legen wir ab.
11.Tag - Donnerstag, 26.07.1984
Eine unruhige Nacht, denn mich haben die Mücken ganz schön zerstochen. Gegen 05.45 Uhr passieren wir Oostende und ich sehe deutlich das Europa-Hochhaus. Jetzt bin ich selbst hier draußen auf See, wo ich im Urlaub in Oostende immer so sehnsuchtsvoll hingesehen habe. Um 11.30 Uhr machen wir in Dünkirchen fest. Es war wieder ein harter Arbeitstag. Abends gehe ich kurz ins Seefahrer-Center und in die Stadt. Bin aber diesmal schon vor Mitternacht wieder zurück, nachdem ich es ja in Antwerpen so sehr übertrieben hatte. Jetzt noch schnell in meiner Kammer alle Mücken zerstören - sie sind ganz fett von meinem Blut....
12.Tag - Freitag, 27.07.1984
Gestern und heute ist keine Post gekommen. Unser Auslaufen hat sich verzögert, weil schon Amerikaner an Bord sind und alles ausmessen und Verhandlungen führen. Morgen Mittag soll es rausgehen. Hier in Dünkirchen ist heute ein herrlicher Sommertag. Allerdings ist die Luft völlig diesig, da die Industriegebiete hier Rauch in grauen und roten Farbtönen aus ihren Schornsteinen entsorgen.
Malz und Stahl wurde heute geladen. Die französischen Stauer gehen mit unserem Schiff allerdings nicht gerade vorsichtig um, als sie die Doppel-T-Träger an Bord verstauen. Aber da bin ich sicher wieder die erschrockene Landratte.... Unser Tiefgang beträgt jetzt 8,20 m.
Als Werft in Amerika ist nun auch New Orleans oder Norfolk im Gespräch. Ein Gerücht jagt das nächste. Mal sehen, was das noch für ein Reiseziel wird.
13.Tag - Samstag, 28.07.1984
Alle auf unserem Dampfer warten schon sehnsüchtig darauf, dass wir nun heute endlich in See stechen und Mitteleuropa verlassen. Vorher wird aber noch ein ganzer Omnibus in die Ladeluke bugsiert. Ein Kran von uns nahm ihn mühelos an den Haken.
Die Reise beginnt jetzt endlich richtig! Gegen 15.00 Uhr sind die Leinen los und es geht ab durch die Schleuse hinaus aus dem stinkenden Dünkirchen in den Ärmelkanal. Bis Höhe Calais bleiben wir direkt vor der französischen Küste und dann rüber in die Nähe der englischen Küste in unsere Fahrtstrasse. Nach getaner Arbeit stecke ich mir erst einmal mein Feierabend-Zigarillo an und bleibe eine gute Stunde an Deck. Wir haben 4-5 Windstärken und die Gischt spritzt am Bug weiß aus dem dunkelblauen Meer. Der Dampfer liegt ruhig im Wasser, er ist ja auch schwer beladen. Er bekommt jetzt gegen Abend ein leichtes rhytmisches Zittern, da die Wellen etwas stärker werden und wir mit 16-17 Knoten ziemlich schnell fahren. Der 2.Offizier (Herr v.P.) reist hier zusammen mit seiner Frau. Er ist stets auffällig freundlich zu mir und hat mich für morgen Mittag auf die Brücke eingeladen, um mir dort einiges an nautischen Dingen zu erklären.
Am späteren Abend zeigt mir unser Maschinen-Assistent - ein Schweizer - die gewaltige Schiffsmaschine. Alles ist nicht nur sehr groß, sondern auch sehr heiß dort unten.
14.Tag - Sonntag, 29.07.1984
Malerischer Sonnenaufgang. Ein ruhiger Arbeitstag, da wir Sonntag haben. Die See ist still - keine Spur von einer stürmischen Biscaya. Jetzt bin ich zwei Wochen auf dem Schiff und es macht noch richtig Spaß! Früh um 10.00 Uhr waren wir südlich von Plymouth im Kanal und um 13.00 Uhr fahren wir bei der französischen Insel Quessant in die Biscaya ein. Morgen gegen 12.00 Uhr sollen wir die ersten spanischen Landspitzen passieren.
Gerne folge ich natürlich heute der Einladung des 2.Offiziers auf die Brücke. Ich lerne Radar, Seekarten und Satellitennavigator kennen. Von Hamburg bis Matadi in Zaire sind es 5.179 Seemeilen, das entspricht 9.591 Kilometern. Trotz Sonnenschein ist die Sicht heute doch sehr diesig.
Waschtag ist bei mir heute angesagt. Danach sitze ich mit Buch und Weltempfänger wieder zwei Stunden vorne auf der Back und fühle mich dort glücklich!
Heute Nacht wird die Uhr um eine Stunde zurückgestellt, denn in Portugal ist eine andere Zeitzone. Erstmals habe ich heute als Malaria-Prophylaxe RESOCHINA-Tabletten genommen.
3.Woche
15.Tag - Montag, 30.07.1984
Gleich um 05.30 Uhr nach dem Wecken das ganze Treppenhaus gefegt und Charly wischte es dann - der Dreck der mitteleuropäischen Häfen ist weg. Draußen ist es bewölkt und ich hätte nie gedacht, dass die See hier so ruhig sein würde. Nur ein leichtes Rollen - mein Gang eiert etwas aber der Körper passt sich immer besser an. Während der Fahrt begleitet uns ein ständiges Maschinengeräusch, außerdem geben Geschirr, Tische und Türen ständig Geräusche von sich. Ich gewöhne mich aber sehr schnell an alles. Um 10.15 passieren wir das erste spanische Kap und ab jetzt fahren wir Südkurs. Mittags beginnt es zu regnen und abends haben wir Wind 5 mit für mich „netten“ Wellen, die die anderen natürlich nur lächerlich finden. Diesmal werde ich aber nicht mehr seekrank.
An Bord lässt man außerhalb der Häfen die Kammertüren offen stehen, wenn man noch Besuch haben möchte. Tür zu bedeutet, dass man lieber seine Ruhe haben will. So war beim 2. Ing. heute die Tür offen und ich ging dann zum Unterhalten rein. Später gesellte sich noch der 3. Ing. dazu. Meine Schiffsrunde führte mich auch noch nachts auf die Brücke. Ein Reich der Stille und Dunkelheit mit schwach leuchtenden Instrumenten. Das Wetter hat sich inzwischen wieder beruhigt.
16.Tag - Dienstag, 31.07.1984
Schon beim Wecken werde ich aufmerksam gemacht, dass es draußen etwas zu Sehen gäbe. Und so war es auch: wir liegen in der Tejo-Mündung vor Anker, da im Hafen noch kein Liegeplatz frei ist. Bis 12.15 Uhr bleiben wir hier und sehen die reichen Vororte der portugiesischen Hauptstadt an den Hängen nördlich von uns. Passend zur Mittagspause beobachte ich dann vom 5.Aufbaudeck (Brückendeck) die Einfahrt nach Lissabon. Die Stadt zieht sich an etlichen Hügeln entlang und ist für mich eine Vorhut Afrikas - erste riesige Palmen stehen an den Strassen. Die Stadt selbst ist alt, aber auch an ihrem Rand sieht man die unvermeidlichen Hochhäuser unserer Zeit.
Das Wetter ist herrlich - ein leichter Luftzug lässt die Sonne erträglich sein. Wir fahren unter der neuen Autobahnbrücke hindurch, die den Rio Tejo überspannt und der Golden Gate Bridge zum Verwechseln ähnlich sieht. Als wir genau unter der Brücke sind, entdecke ich, dass man durch sie hindurchsehen kann - die Fahrbahn muss also aus Rastergittern bestehen ... seltsam. Um 15.30 machen wir fest.
Meine Hoffnung auf Post wird enttäuscht - nix dabei für mich. Nach Feierabend ist Zeit für einen kurzen Landgang. Im Hauptpostamt rufe ich in der Heimat an und im Straßencafé reicht es gerade mal für einen Kaffee und ein paar schnelle Postkarten. Was ist mir hier aufgefallen? Die Strassen haben oft noch Kopfsteinpflaster, die meisten Autos sind kleiner als bei uns, viel Verkehr, Müll steht auf der Strasse herum. Oft steigt man über übelriechende Lachen, in denen dann auch noch Kinder spielen. Die Plätze der Stadt sind voller Menschen und wunderschön, sehr viel historisches Gemäuer.
Nach der Rückkehr vom Landgang sehe ich beim Containerladen zu.
17.Tag - Mittwoch, 01.08.1984
Heute sind wir wieder auf See. Um 06.00 Uhr früh sieht man am Horizont eine helle Verfärbung des Nachthimmels in fantastischen Farben. Ganz anders als in Deutschland gibt es hier nur eine sehr kurze Dämmerung und es ist ruckzuck hell. Wind und Wellen kommen von achtern, daher rollen wir etwas. Fahrt- und effektiver Rückenwind heben einander auf und so ist es auf dem Brückendeck windstill. Mittags steht die Sonne steil über uns und brennt ganz ordentlich auf uns nieder. Jetzt wird die Klimaanlage in Betrieb genommen und sofort ist in Pantry und Kammer eine prima Luft. In der Pause sonne ich mich achtern an Deck in der Badehose - es ist aber nur im Wind auszuhalten. Meine Kollegen verbringen ihre Pausen meistens auf Kammer und sind daher auch ziemlich blass. Mir dagegen gibt man schnell den Spitznamen "Urlauber". Auf Deck entfernen die Jungs den Rost.
Nach dem Feierabendduschen stehe ich lange an der Reling und beobachte nur das Wasser. Meine noch nicht daran gewöhnten Augen begeistern die Millionen Luftbläschen, die zischend neben unserem Rumpf zerplatzen. Das von diesen Luftblasen durchsetzte Wasser ist babyblau, dazwischen immer mal wieder dunkelblaues Wasser. Todmüde und glücklich sinke ich bereits um 22.00 Uhr in meine Koje.
18.Tag - Donnerstag, 02.08.1984
Draußen ist es bis gegen 07.00 Uhr dunkel und schon um diese Zeit ziemlich warm und leicht dämpfig. Das Deck ist vom Tau feucht. Wind und Wellen kommen noch immer von achtern. Mittags saß ich wieder mutterseelenallein in Badehose auf der Back - herrliche Momente des Lebens! Vollkommen alleine auf der Welt - so kommt es mir oft vor. Wir rollen heute etwas mehr. Aber unser Kahn ist voll beladen bis an die Lademarke, also knappe 10.000 Tonnen Fracht, deshalb arbeitet sich unsere Mira brav durch die Wellen. Trotzdem wird vormittags die Maschine abgeschaltet und am Turbo gearbeitet, da er ab und zu so knallt. Jeden Tag um 17.00 Uhr gibt es jetzt eine Din-A 4 - Seite mit kurzen Nachrichten. Unser "Blitz" (Elektriker) will mir einen Anschluss basteln, damit ich auch in meiner Kammer ordentlichen Kurzwellenempfang habe und hören kann, ob in der Heimat der Sommer verregnet ist oder nicht. Ich schmeiße mich in meinen für den Notfall gedachten Overall und begleite den Elektriker auf Deck, der die Tiefkühlcontainer zum Abtauen abschaltet. Das kalte Wasser an Bord wird langsam lauwarm. Es stammt ja aus den Bodentanks, die sich allmählich durch das Meerwasser erwärmen.
Gegen 23.00 Uhr ist Backbord das Leuchtfeuer von Fuerteventura zu sehen, kurz später tauchen Steuerbord die Lichter von Gran Canaria auf. Rechts von uns liegt also das Reiseziel tausender deutscher Urlauber - wir fahren nur ruhig dran vorbei... Bis Mitternacht kann man es ohne Probleme in Badehosen an Deck aushalten.
19.Tag - Freitag, 03.08.1984
Mittags auf dem 2. Aufbaudeck achtern meine Post erledigt. Danach eigenhändig das Abdecknetz über dem Swimmingpool entfernt nachdem es hieß, dass heute Abend Wasser drin sei. Wie sehr ich mich auf den Moment freue!
Und abends gibt es dann wirklich einen funktionstüchtigen Swimmingpool an Bord - klein aber fein. Zusammen mit dem 3. Ing. weihen wir ihn auf dieser Reise ein. Den Grossteil der Besatzung scheint der Pool aber nicht zu interessieren.
Heute Abend habe ich per Funk über Norddeich Radio in der Heimat angerufen.
20.Tag - Samstag, 04.08.1984
Draußen ist es diesig grau und warm, die Sonne schaut nur ab und zu hinter den Wolken vor. Am Rücken habe ich meinen ersten Sonnenbrand. In den Gang vor der Pantry kommt jetzt immer mehr Hitze aus dem Maschinenraum hoch und ich schwitze ziemlich stark bei der Arbeit. Wir haben zwischendurch heute wieder zwei Stunden Maschinenstop. In der Mittagspause und abends bin ich sofort wieder im Swimmingpool, man muss seinem Ruf als „Urlauber“ doch alle Ehre machen. Der Passat ist wohl vorbei, denn wir haben wieder Fahrtwind. Von der Brücke aus hat man viele Haie gesehen und wir überholen einen ca. 12 Meter langen Wal. Flugfische gibt es jetzt in Scharen.
Abends am Pool in netter Runde mit der Funkerin, dem 2.Offizier und Frau, sowie dem Maschinenassi zusammen gesessen.
21.Tag - Sonntag, 05.08.1984
Um 05.00 Uhr habe ich mich bereits wecken lassen und will auch in Zukunft eine halbe Stunde früher aufstehen und vor dem Dienst noch in den Pool. Es ist auch morgens um diese Zeit bereits so warm im Freien, dass man ohne Probleme nur in Badehose rumlaufen kann.
Wir laufen in Dakar im Senegal ein. Heute gab es Kompliment vom Kapitän für meine Arbeit - na der Tag kann ja nur noch gut enden. Mittags habe ich frei bekommen und bin zusammen mit der Funkerin, dem 3.Ing. und der Frau vom 2.Offizier zum Landgang gestartet. Wir haben die Fähre zur Insel Goree genommen, eine ehemalige Sklaveninsel. Hier war es brütend heiß. Es gibt keine Autos auf dem Eiland und lediglich Sandwege. Frau P. führte uns als perfekte Führerin durch die markanten Gassen zur Festung. In einer kleinen Bucht haben wir im Atlantik gebadet.
(Anmerkung aus Sicht des Jahres 2000: es handelt sich beim Folgenden nicht um Rassismus, sondern um eine pure Tatsachendarstellung.)
Es wimmelt im Hafen rund um und auf unserem Schiff von Schwarzen - es arbeiten aber nur die wenigsten von ihnen. Als wir abends mit einer 6-köpfigen Gruppe durch das Zentrum von Dakar laufen, werden wir von einheimischen Schmuckhändlern permanent extrem belästigt. Wir sehen Schwarze auf der Straße schlafen und auffällig war mir auch, dass große Gruppen rumhängen und uns so mustern, dass ich eigentlich doch recht schnell wieder zurück an Bord will. Trotzdem war es ein wunderschöner Tag mit unwahrscheinlich vielen neuen Eindrücken.
5.Woche
29.Tag - Montag, 13.08.1984
Heute vor 4 Wochen bin ich auf dem Schiff eingestiegen. Es kommt mir schon viel länger vor durch die vielen inzwischen erlebten Eindrücke.
Am Vormittag liegen wir auf Reede von Libreville in Gabun. Der Hafen nennt sich Owendo und liegt kurz hinter der Stadt. Die Einfahrt in die Bucht ist sehr schön - an Steuerbord gibt es wunderbaren Sandstrand zu sehen mit etwas Buschwerk dahinter. Das muss ein tolles einsames Campinggelände sein, jedenfalls sieht es vom Wasser aus verlockend genug aus.
Es sind jetzt noch 30,5 km bis zum Äquator. Von Hamburg aus haben wir 8.900 km Seeweg hinter uns. Und jetzt liegen wir wie auf dem Rost eines Grills bei 37° C im Schatten und haben die Sonne senkrecht über uns.
Die Funkerin Frau N. führt mir heute den Notsender vor, den wir hoffentlich nie brauchen werden. Am Nachmittag passiert mir ein Missgeschick, als ich das Tablett mit Tee auf die Brücke bringen will. Treppauf stolpere ich und drücke mir dabei das volle Tablett ins Gesicht. Kleine Schnitte am Kinn und Daumen und der heiße Tee ergoss sich über mich, 4 Tassen und die Teekanne gehen zu Bruch.
Abends liegen wir immer noch auf Reede zusammen mit anderen Schiffen, die auf einen Liegeplatz warten, wovon der Hafen aber nur zwei besitzt. So starren wir eben nur übers Wasser auf die orangefarbene Hafenbeleuchtung...
30.Tag - Dienstag, 14.08.1984
Früh gegen 08.00 Uhr haben wir an der kleinen Pier von Libreville angelegt. Vormittags kommt der deutsche Seemannspastor an Bord. Er ist sehr freundlich und fragt sofort, ob er was für uns tun könne. Er ist schon 10 Jahre an der afrikanischen Westküste, davon war er 9 Jahre in Lome in Togo, der ehemaligen deutschen Kolonie. Dort sollen selbst junge Leute noch deutsch sprechen. Hinter uns liegt ein RoRo-Schiff von Delmas aus Dünkirchen. Ich dachte immer WIR hätten einen großen Dampfer, aber dagegen sind wir ein Zwerg. Die Bullaugen fangen erst in Höhe unserer Brücke an. Achtern hat das Schiff eine riesige Heckklappe heruntergelassen, fast so breit wie eine Autobahn. Es gibt 4 Ladedecks und die LKW fahren direkt auf das Schiff.
Draußen ist es fürchterlich schwül. Am Abend werden wir vom Pastor mit dem Auto abgeholt (welch ein Service!) und ins deutsche Seemannsheim gefahren. Es liegt sehr reizvoll mit einem tollen Palmengarten und mitten drin einem Swimmingpool, von dem wir zu dritt ausführlich Gebrauch machten. An der Bar des Seemannsheimes gab es auch deutsche Illustrierte. Ich habe lange mit dem Pastor und griechischen Seeleuten geredet. Der Pastor berichtet, dass etwa 80 Deutsche in Gabun leben, davon 60 in Libreville.
31.Tag - Mittwoch, 15.08.1984
Wie es mir bereits meine Kollegen angekündigt hatten: Die Arbeiter im Hafen von Libreville sind (nach unseren Maßstäben) extrem faul und langsam. Daher verschiebt sich das auf Nachmittag angesetzte Auslaufen erst auf 22.00 Uhr, später auf 04.00 Uhr morgen früh, später auf 06.00 Uhr.
Abends sind wir wieder mit ein paar Leuten im Seemannsheim. Später wurden wir vom Pastorenehepaar ins private Wohnzimmer gebeten zu "Hermann" (das ist Kuchen) und Kaffee, außerdem gab es Passionsfrucht und frische Ananas. Wir wurden hier wirklich extrem gastfreundlich aufgenommen!
Auf der Rückfahrt an Bord haben wir kurz Schwierigkeiten mit angetrunkenen Posten der Hafenpolizei, die uns anscheinend nur gegen Geld wieder auf das Hafengebiet lassen wollen. Ich verstehe nicht was da zwischen Fahrer und Polizisten geflucht wird und habe ein mulmiges Gefühl. Wir kommen letztendlich dann doch ohne Probleme zu unserem Schiff und mir war jetzt klar was der Pastor damit meinte, als er uns vor Alleingängen an Land warnte. Morgen ist Nationalfeiertag in Gabun und so langsam stellt auch der letzte Einheimische das Arbeiten auf unserem Schiff ein. Die Besatzung flucht unüberhörbar ....
32.Tag - Donnerstag, 16.08.1984
Um 08.30 Uhr sind wir dann endlich doch ausgelaufen, nachdem letztendlich unsere Decksleute alles alleine machten. Da es in Gabun jetzt Feiertage gibt und wir zwei Tage Verspätung und keine Zeit haben, über die Feiertage in Port Gentil zu warten, haben wir unseren Fahrplan geändert und nehmen Kurs auf Pointe Noire.
Mittags überqueren wir den Äquator und schippern nun auf der südlichen Halbkugel weiter. Für eine Äquatortaufe ist keine Zeit - ob mir dabei was entgeht? Das Wetter ist seit Tagen grau und die Temperaturen gerade noch erträglich. Als ich wieder auf der Back bin, sehe ich nicht nur einen Schwertfisch schwimmen, sondern stelle fest, dass das Meer heute grün ist. Bei einer Dünung von zwei Metern rollt das Schiff heute mehr als sonst. Wir sind natürlich auch schon bedeutend leichter geworden.
Die Funkerin hat Geburtstag und wir feiern mit 20 Leuten bis früh um 02.00 Uhr. Danach räume ich die Messe noch auf und nichts ist mehr zu sehen von der Fete.
33.Tag - Freitag, 17.08.1984
Gegen 10.30 Uhr erreichen wir Pointe Noire in Kongo-Brazzaville, die sozialistische Volkrepublik Kongo. Hier ist einiges anders, was ich gleich beim ersten Bummel im Hafen merke. Es wird nicht so stark gebettelt wie in den anderen Häfen, die wir bisher in Afrika anliefen. Die Hafenarbeiter kann man hier als regelrecht schnell und fleißig bezeichnen. Die Vorleute, die in meiner Messe essen, sind sehr freundlich. Beim Hafenbummel komme ich mit dem Koch eines norwegischen Schiffes ins Gespräch. Sein Dampfer pendelt nur zwischen Douala und Pointe Noire - eine trostlose Route...
Die Luftfeuchtigkeit ist abends so hoch, dass die ganze Haut klebt. Langsam gewöhnt man sich allerdings an das lästige klebrige Gefühl. Am Abend kommen zwei Griechen an Bord und bitten um die Adresse der ÖTV. Sie liegen hier schon 10 Tage im Hafen und haben nur noch 6 Tonnen Sprit, keine Lebensmittel mehr, die Klimaanlage läuft nicht mehr und die Ladung ist verfaulter Reis. Der Dampfer läuft unter Panamaflagge und der Reeder kümmert sich um nichts mehr. Zwei Leute von deren Besatzung mussten schon für drei Tage ins Gefängnis, weil sie die Liegegebühr nicht mehr bezahlen können. Morgen früh werden sie aus dem Hafen rausgeschmissen und wissen noch nicht, was sie machen werden, sollen und können. Sie tun mir echt leid! Irgendwann am Abend mache ich noch mal einen Spaziergang durch den Hafen. Hier fühlt man sich sicher durch die vielen patrouillierenden Soldaten.
34.Tag - Samstag, 18.08.1984
Mit 6 Kollegen unternehme ich am Nachmittag einen Landausflug. Leider haben wir nur eine Stunde Zeit bekommen, da die Löscharbeiten fast abgeschlossen sind. Der Agent fährt uns mit einem Kleinbus raus aus Pointe Noire durch wilde Landschaft. Kleine Friedhöfe säumen die Strasse und überall stehen Palmen. Jetzt geht es durch einen frisch gepflanzten Zypressenhain in ein kleines Dorf. Die Behausungen sind kleine Holzhütten mit Wellblechdächern. Alles Sandstrassen. Scharen von Kindern tummeln sich am Straßenrand und winken uns zu. Ziel unseres Ausfluges ist eine tiefe Sandschlucht, die dem Grand Canyon sehr ähnlich sieht. Die körperlich schwere Arbeit wird hier von Frauen verrichtet: Sie steigen (teilweise barfuss) die steile Schlucht hinab und holen dort Wasser. Anschließend schleppen sie das kostbare Nass in Tonkrügen auf ihren Köpfen wieder nach oben. Jetzt ist mir auch klar, warum man hier überall so scharf ist auf unsere leichten Plastikkanister. Ein sehr kurzer Trip, aber viele Eindrücke.
Um 19.30 Uhr legen wir wieder ab. Später am Abend sehen wir in der Ferne viele Bohrinseln mit ihren Gasfackeln den nächtlichen Himmel beleuchten.
35.Tag - Sonntag, 19.08.1984
Ein unvergesslicher Tag....
Um 06.30 Uhr werfen wir Anker in der Kongomündung. Ein amerikanisches Versorgungsschiff holt bei uns 5 Container und einige Kisten ab für Soyo/Angola. Der Kongo ist sehr breit. Da er viel Schlamm mit sich führt, hat er dunkelbraune Färbung. Auf seiner Oberfläche führt er Gras und Äste mit sich. Er ist hier Grenzfluss: das nördliche Ufer gehört zu Zaire und das südliche zu Angola. Der Strom hat teilweise bis zu 12 Knoten Strömung und kann stellenweise über 400 m tief sein. 12.30 Uhr lichten wir die Anker und starten unsere Fahrt den Fluss Kongo aufwärts, vorbei an großen Inseln. Ringsherum Urwald bis ins Wasser. Ich sehe Palmen in Größen und Mengen wie ich es mir nie erträumt hätte - alles beeindruckt mich sehr! Im Urwald kann man ab und zu am Ufer Hütten und Holzverschläge ausmachen oder einzelne Schwarze in Einbäumen. In Boma wechselt der Lotse. Bis jetzt war die Landschaft flach und der Kongo schien unendlich breit zu sein. Aber jetzt ändert sich die Landschaft total: der Kongo wird schmal und bekommt eine starke Strömung. Steile Felsen fallen ins Wasser ab. Sie sind wohl mit Gras bewachsen, aber im Moment ist das alles vertrocknet und wird abgebrannt. Dadurch ist die Luft rauchverhangen und sogar die Sonne verfinstert sich gespenstisch. Die Landschaft erinnert mich etwas an das Rheintal zwischen Bingen und Koblenz. Kurz vor unserem Zielhafen erreichen wir das sogenannte "Teufelsloch", eine Stromschnelle. Der Fluss biegt hier um 90 Grad nach rechts. Mutig fährt man hier trotzdem geradeaus, und plötzlich packt die Strömung das Schiff und dreht es von selbst in die richtige Richtung, ohne dass das Ruder dafür benutzt werden müsste. Dieses ganze Schauspiel hat von uns 26 Leuten an Bord nur 6 Leute interessiert - komisch. Bei Dunkelheit kommen wir in Matadi an, einer kleinen an Hänge gebauten Stadt.
Nachdem ich Geld für Besorgungen beim Kapitän geholt habe stelle ich fest, dass Zaire seine Währung in München drucken lässt.
6.Woche
36.Tag - Montag, 20.08.1984
Nachts haben an Deck die Diebe zugeschlagen. Die Hafenpolizei allerdings auch und war dabei nicht zimperlich: einer wurde erschossen, ein zweiter bekam erst Handschellen um und danach den Gummiknüppel auf die Kniescheiben. Eine Seefahrt ist nichts für zarte Gemüter...
An Deck taucht ein Händler nach dem anderen auf. An der Pantrytür klopft es ständig und uns werden Bananen, Tomaten, Mangos und Ananas angeboten. Im Tausch dafür wollen sie dann Plastikeimer, -flaschen und -kanister, Socken, Becksbier und "please give me some bread". Auch Geldwechsler geben sich die Klinke in die Hand. Ich verkaufe jetzt meine angesparten Putzmittelgefässe. Den Leuten muss ich dann für den Zoll Zettel ausstellen „8 piece for my friend as souvenier“. Umgerechnet DM 23,- habe ich in der Hand in Form von 43 Geldscheinen...
Mittags gehe ich mit unserem Elektriker und der Frau des 2. Offiziers in die Stadt Matadi. Es ist hier extrem ärmlich. Deutlich erkennt man die Gebäude der Kolonialzeit, allerdings sind sie oft verkommen. Es werden hier in Zaire Postkarten aus Luanda und Angola verkauft, von Zaire selbst gibt es keine einzige. Auch hier spielt sich das Leben am Straßenrand ab. Die Einheimischen belästigen uns hier nicht. Matadi liegt landschaftlich wunderbar an die Hügel gebaut und im Tal unten fließt der mächtige Kongo. In glühender Hitze laufen wir die Straße zum Zentrum hinauf und uns fließt der Schweiß in Strömen. Die Omnibusse sind hier jämmerlich überfüllt. Auf dem sogenannten "Holzmarkt" werden herrlich geschnitzte afrikanische Figuren und Masken verkauft. Schade dass ich keine schwereren Sachen kaufen kann, denn wir müssen ja von den USA aus per Flugzeug zurück und das gibt sicher Probleme mit dem Übergepäck. So erstehe ich also für umgerechnet DM 11,- eine 33 cm hohe geschnitzte Figur. Auf diesem Markt wird auch Malachit, Onyx und Elfenbeinschmuck angeboten. Alles nach unseren europäischen Preisvorstellungen hier halbwegs geschenkt, allerdings muss man vorher kräftig handeln.
Am Abend erneut Landgang mit einigen Herren von unserem Dampfer, die sich alle landfein gemacht hatten, was man nicht nur sah, sondern auch intensiv riechen konnte. (Anmerkung im Jahre 2000: heute benutzen Männer wenigstens nicht mehr nur die billigsten Duftwässer...) Es ging ins schon Tage vorher in den höchsten Tönen gelobte Gartenlokal „Gondola“. Kaum angekommen, ist mir klar, warum alle so parfümiert sind und sich so zurechtgemacht haben: das Gartenlokal ist ein Puff. Die Frauen hier sind äußerst kess, laden sich sofort selbst ein, sitzen ruckizucki auf meinem Schoss und gehen mir an die Wäsche. Naja, das war dann doch nicht so mein Ding und ich verlasse eher fluchtartig das Gelände und trete gegen alle Warnungen meiner Kollegen alleine den Rückweg zum Hafen an. Vielleicht liegt es daran dass ich noch vollkommen nüchtern bin und einen äußerst schnellen Gang einlege - egal, mir passiert jedenfalls nichts und ich bin froh, wieder das Hafentor passiert zu haben. Vor der Kontrollstelle stehen Scharen von Einheimischen die versuchen auf das Hafengelände zu gelangen. Hier wird aber alles scharf bewacht. Trotzdem haben wir den Eindruck, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Manche Leute kommen rein und manche nicht. Man muss wohl auch hier nur die richtigen Männer kennen...
Unser Schiff liegt jetzt so tief, dass man von der Pier zum ersten Aufbaudeck hinuntersteigen muss.
37.Tag - Dienstag, 21.08.1984
Einer unserer Decksmatrosen berichtet stolz, dass er sich gestern Abend mit einer „Dame“ für umgerechnet DM 7.70 eingelassen hat...
Unser Vorratsraum riecht wie ein Fruchthof. Dort lagern jetzt die frischen Ananas, Tomaten, Maracuja und Bananenstauden. Mittags gab es gleich Tomatensalat und Bananen als Dessert, Früchte der Saison sozusagen. Wir vom Küchen- und Bedienungspersonal schlachten eine frische Ananas. Sie schmeckt hier bedeutend süßer als bei uns in Deutschland. In meiner Kammer liegt auch ein Berg Bananen und ich weiß nicht, wie und wann ich sie alle essen soll. Jaja, jeder hat so seine Geschäfte gemacht in Matadi. An früherer Stelle berichte ich ja in diesem Tagebuch bereits davon, dass Beck's Bier eine Währung ist. Wir begegneten den bei uns an Bord gegen Waren getauschten Flaschen im einzigen internationalen Hotel am Platze wieder. Dort kosten sie jetzt den Wucherpreis von umgerechnet DM 4.50...
Gegen 11.30 Uhr verlässt die „WOERMANN MIRA“ das letzte Mal Matadi, dass sie ja per Liniendienst schon lange anlief. Der Kapitän bedient dreimal das Schiffshorn und weg sind wir. Die Fahrt den Kongo hinunter geht jetzt mit der Strömung natürlich sehr rasch. Kaum sind wir aus den Bergen raus wird das Wetter besser.
Nach langer Zeit gehe ich abends mal wieder kurz nach 21.00 Uhr ins Bett und will mal 8 Stunden im Stück schlafen. Das gleiche denken wohl auch fast alle anderen, denn niemand ist heute an Deck zu finden, keiner sitzt vor dem Video usw.
38.Tag - Mittwoch, 22.08.1984
Herrlich - ich habe wirklich 8 Stunden am Stück geschlafen! Die See ist völlig ruhig.
Zur Kaffeepause um 10.00 Uhr gibt der Kapitän der Mannschaft bekannt, dass nach Auslaufen in Douala unser Ziel Jacksonville in Florida sein wird. Das ist eine Strecke von über 11.000 km. Jeder freundet sich jetzt mehr oder weniger mit dem Reiseziel an.
Die Sonne knallt wieder gnadenlos. Nach dem ganzen Dreckwasser auf dem Kongo und in der Kongomündung haben wir jetzt wieder eine saubere blaue See unter uns. Da fällt einem auch der Hammerhai mittags sofort auf. Auch Wale haben wir unterwegs spielen sehen.
Gegen 20.00 Uhr legen wir in Port Gentil in Gabun an. Die Arbeiter sind fleißig - es wird ein kurzer Stop. Hier nehmen wir auch Frischwasser auf. An Bord besuchten uns drei Südkoreaner. Sie sind auf einem französischen Fischfänger unterwegs.
39.Tag - Donnerstag, 23.08.1984
Früh um 06.00 Uhr laufen wir bereits in Port Gentil wieder aus. Heute keine besonderen Vorkommnisse. Wie meistens war ich mittags auf der Brücke und auf dem Vorschiff. Heute ist wieder mein Waschtag. Gegen 22.00 Uhr liegen wir vor Douala vor Anker.
40.Tag - Freitag, 24.08.1984
Die Klimaanlage geht vormittags nicht richtig und alle sind sofort leicht sauer. Um 08.00 Uhr liegen wir an der Pier von Douala in Kamerun. Die lang erwartete Post ist da: 15 Briefe und Karten. Wieder mal reiche Ausbeute für mich. Viele verstehen nicht, dass ich so viel Post erhalte. Es liegt sicher daran, dass ich noch viele Kontakte an Land habe, was sicher nach einiger Fahrzeit deutlich nachlassen wird. Auf der anderen Seite schreibe ich ja auch viel, was die Neider nicht tun...
Früh sah man Wetterleuchten. Wolken und Sonne wechseln sich ab - kommt die Sonne durch dann knallt sie sofort. Der Mount Cameroun ist ständig in Wolken gehüllt, so dass ich seine wahre Größe nicht sehen kann. Uns wird ganz allgemein und auch schriftlich vom Kapitän abgeraten, an Land zu gehen, da in letzter Zeit in Douala ständig weiße Seeleute überfallen wurden. Der jüngste Fall war eine siebenköpfige Gruppe eines französischen Frachters, die bis auf die Unterhosen ausgeraubt und ausgezogen wurden. Der Agent organisiert daher einen Autotransport für uns und so sind wir abends mit 12 Personen zum deutschen Seemannsheim gefahren worden. Auch dort kann man wieder unter Palmen im Garten in einem herrlichen Pool baden. Leider war es aber im Gebäude sehr voll und es fehlte die familiäre Atmosphäre von Libreville.
41.Tag - Samstag, 25.08.1984
Alleine gehe ich auf der Pier auf und ab und sehe das mäßige Treiben im Hafen an. Unser Schiff ist nun vollkommen leer. Abschied von Afrika. Uns stehen jetzt gut 14 Tage Seereise bevor. Es ist zwar Landgang bis Mitternacht möglich, aber ich gehe zeitig ins Bett.
42.Tag - Sonntag, 26.08.1984
Um 02.30 Uhr ein Kontrollanruf durch den wachhabenden Offizier. Ich solle weiterschlafen - man vergewissert sich nur, ob auch alle Mann an Bord sind - um 03.00 Uhr ist Auslaufen. Von Douala aus geht es erst Kurs südwest und dann etwa auf dem Äquator bis kurz vor die brasilianische Küste, von dort dann nordwest durch die Karibik nach Florida. Als ich aufwache, haben wir dichte Bewölkung und den Mount Cameroun passiert. Backbord liegt die Insel Fernando Poo. Den 3.007 m hohen Pico de Sta. Isabel kann ich nur kurz zwischen den Wolkenfetzen ausmachen, er erhebt sich mächtig aus dem Meer. An seinem Fuße erkennt man einige Hochhäuser der Stadt Malabo (Sta. Isabel). Heute ist Sonntag - ein ruhiger Tag für uns alle. An Bord haben wir doch noch einen Karton mit 8 neuen Videos bekommen, die Unterhaltung für einige Abende ist gesichert.
Die See ist leicht aufgeraut, trotzdem liegt die „MIRA“ ruhig. Eigentlich sind wir ja jetzt ohne Ladung „Nussschale“, aber wir fahren natürlich mit einigem Ballastwasser.
Afrika habe ich also hinter mir und habe die Hitze überlebt. Das war ja vor der Abreise doch die große Frage für mich, wie ich die Hitze bestehen werde. Selbstverständlich schwitzt man ohne Ende, aber gegen den Salzverlust nimmt man Tabletten ein. Charly und ich verteilen sie jeden Sonntag an die Mannschaft. Vor der Abreise sagte man mir, dass alle Häfen gleich aussehen. Das stimmt aber nur bedingt. Die technischen Geräte mögen überall ähnlich sein. Aber die Menschen waren überall unterschiedlich und auch die Qualität der technischen Anlagen. Ich habe mir alles mit ganz offenen Augen angesehen. Die langjährigen Seefahrer sind das alles gewöhnt und sehen viele Dinge nicht mehr. Sie machen sich über meine Neugier sogar teilweise lustig, was mich aber keineswegs von meinem Allgemeininteresse abhält.
Das Ehepaar v.P. putzt am Nachmittag den Swimmingpool und nach zwei Wochen kommt endlich wieder Wasser rein. Gleich nach dem Abendessen wird er wieder eingeweiht.
7.Woche
43.Tag - Montag, 27.08.1984
Aus internen Gründen gibt man mir die Chance, eine Woche lang in der Offiziersmesse zu bedienen. Und wie sich das gehört, ist man aufgeregt dabei, und ich vergesse prompt die Servietten am Kapitänstisch zu decken. Na gut, das t mir zum Glück jeder augenzwinkernd verziehen.
44.Tag - Dienstag, 28.08.1984
Im Moment schlafe ich nachts wie ein Block und mindestens 8 Stunden. Das Wetter ist nach wie vor bewölkt und nach 51 Stunden sind wir ca. 1.500 km von Douala entfernt. Am Vormittag erscheint am Schwarzen Brett eine Karte mit der geplanten Route. Wir reisen genau auf dem 3.nördlichen Breitengrad westwärts. Seit 6 Wochen bin ich jetzt unterwegs - von Heimweh keine Spur !
45.Tag - Mittwoch, 29.08.1984
Heute mal eine Nachbemerkung zu Afrika: wir hatten in keinem einzigen afrikanischen Hafen eine Zollkontrolle in den Kammern. Kaum ist im Hafen die Gangway runtergelassen, da stürmt immer eine Schar das Schiff und sucht den direkten Weg zum Alten (Kapitän). Meist sind das Leute, die angeben, angeblich wichtige Aufgaben beim Löschen oder ganz allgemein im Hafen zu haben. Da gibt es den Chef der Wachleute, später erscheint dann noch der Chef des Chefs, die Leiter der einzelnen Arbeitsgangs, der Leiter der Leiter der Gangs usw. Vom Zoll kommen auch immer viele. Man kann sie alle mit einer Flasche Weinbrand und Zigaretten befriedigen (alles alte, eingespielte Rituale). Der afrikanische Zoll wurde auch ganz brav, wenn er bei uns Beck's Bier kaufen durfte... Wir verkaufen das meist zu unseren normalen Preisen, an Land wird das dann teuer weiterverkauft. So machen sie alle ihre Geschäfte und wir haben auf dem Schiff irgendwie natürlich unsere Ruhe gehabt.
Das Wetter heute: sonnig mit Schönwetterwolken. Eine frische Brise mit leichter Dünung.
Zeitweise arbeitet jetzt auch der Kapitän an Deck. Heute hat er z.B. die Klüsen mit Öl gestrichen, gestern sortierte er die Laschringe. Überall wird ausgemistet und geputzt für die Übergabe in Amerika. Ich habe meinen Reinigungsstore ausgemistet und Charly macht im Leinenstore Wäscheinventur. Etliche an Bord freuen sich schon auf das Ende der Reise und bekommen langsam ein gleichgültiges Gefühl... Bei mir kommt das zum Glück nicht auf.
In meiner Karte über dem Bett vermerke ich unsere heutige Position: 13.westl. Längengrad, 3.nördl. Breitengrad. Die meisten spotten über meine Eintragungen und das „ewige Interesse an allem“, einige allerdings bewundern meine Begeisterung auch.
46.Tag - Donnerstag, 30.08.1984
Der fünfte Seetag seit Douala.
Heute Nacht hatte ich einen wirren Traum: wir kamen mit der „MIRA“ plötzlich in New York an. Als wir anlegten, ging ich als erster von Bord, weil ich dringend einen Film kaufen wollte. Als ich zurück kam, war das Schiff weg, da es dort nur den Lotsen an Bord genommen hatte... Ein seltsamer Traum. Aber in der Tat werden meine Filme knapp und dann kommen solche Alpträume.
Der Wind kommt nach wie vor aus Süd, die Sonne knallt vom Himmel und wir haben 30° C im Schatten. Die winzigen Schaumkronen auf den Wellen blitzen in der Sonne wie echte Kronen. Na gut, das werde natürlich nur ich so sehen.... Schade, dass ganz allgemein die Menschen solch schöne Momente im Leben nicht mehr registrieren auf der Jagd nach der nächsten Sensation. Am Samstag soll eine Grillfete stattfinden. Abends sitze ich mit fast allen Offizieren und Gästen in der Offiziersmesse zusammen beim angeregten Gespräch. Ich bin natürlich froh, dass ich als Neuling so gut bei ihnen aufgenommen worden bin.
Der erste Hurrikan in dieser Saison entsteht. Er heißt ARTHUR und hat momentan die Position 12° Nord, 60° West, also genau auf dem Kurs, den wir in einer Woche etwa erreichen werden. Dieser Hurrikan spielt für uns aber keine Rolle, da er bereits nach NW abzieht. In 10 Tagen werden wir voraussichtlich die USA erreichen. Vorher wollen wir noch das Bootsmanöver machen, bei dem wir die Rettungsboote zu Wasser lassen. Zur Zeit geht das wegen der Dünung nicht, es wäre zu gefährlich.
Und so beende ich den heutige Tag um kurz vor 23.00 Uhr mit einer letzten Zigarette, einem Schluck Martini und guter Laune.
47.Tag - Freitag, 31.08.1984
Die Dünung hat leicht zugenommen. Überall auf dem Dampfer wird "Farbe gewaschen", also auch Wände und Decken werden geputzt. Da auch am Kamin gearbeitet wird ist mittags der Pool nicht zu gebrauchen.
Am Schwarzen Brett hängt ein Telex vom Betriebsrat: die Reederei hat bei der Bundesanstalt für Arbeit Kurzarbeit beantragt und genehmigt bekommen. Wir sollen uns aber ruhig verhalten, Kündigungen stünden nicht an. Abends fällt mein üblicher Gang auf die Back aus, da sich eine pechschwarze Wolkenfront nähert. Also suchen wir Frischluftfanatiker Schutz unter dem Sonnendach beim Pool, werden dort aber trotzdem nass. An Backbord sahen wir weit entfernt ein Schiff - das einzige seit Tagen. Es ist mal wieder mein Waschtag angesagt.
48.Tag - Samstag, 01.09.1984
Wir durchqueren etliche Regenfronten. Trotz diesem schlechten Wetter „hagelte“ es aber positive Dinge für mich. Der Kapitän rief mich zu sich, da er meine Beurteilung anfertigen muss. Sie fällt sehr gut aus und ich bin stolz und glücklich. Damit nicht genug: auf der abendlichen Grillfete lobt er mich vor der ganzen Mannschaft und erwähnt besonders meinen Mut zum Berufswechsel und meine Art, hier zu arbeiten. Es gibt auch Komplimente, wo sogar ich rot werde..., heute war es mal so weit.
Ja die Grillfete musste wegen schlechten Wetters in die Mannschaftsmesse verlegt werden. Gegrillt wurde draußen unter einem provisorischem Dach und drinnen gefuttert und gefeiert.
49.Tag - Sonntag, 02.09.1984
Das Wetter bessert sich und man kann die seltsamsten Wolkenformationen sehen. Noch immer fasziniert mich als ehemalige Landratte diese unendliche Sicht nach allen Seiten. Die übliche Sonntagsruhe liegt über unserem Dampfer und ich rufe mal wieder bei der Familie an. In meiner Mittagspause das gleiche Ritual wie an jedem Tag: Brücke und Vorschiff, abends eine Stunde im Pool.
8.Woche
50.Tag - Montag, 03.09.1984
Bei sonnigem Wetter nähern wir uns der Küste Süd-Amerikas. Auch für mich gibt es jetzt wegen der Schiffsübergabe an die Amis mehr Arbeit. Alle Kammern müssen gründlich gereinigt werden (auch Wände und Decke), Betten putzen, Böden bohnern usw.
Mittags habe ich mir am Bug das Kabelgatt angesehen, in das man vom Vorschiff aus durch eine Luke hinabsteigt. Dort werden Kabel und Taue gelagert. Es riecht muffig und war fürchterlich heiß.
Unsere Position um 12.00 Uhr war 44° West, 4° Nord. Im Radio kann ich bereits „Voice of America“ empfangen und freue mich schon auf die Staaten. Hoffentlich werden wir nicht gleich nach dem Einlaufen zum Flughafen gebracht. Ich würde ja gerne noch ein paar Tage bleiben wollen. Mal sehen, was kommt.
51.Tag - Dienstag, 04.09.1984
Wieder ein wunderschöner Sonnentag mit einigen Schönwetterwolken. Die See ist heute bundeswehrgrün. Die Position: 51° West, 5° Nord. Wir haben unseren Kurs leicht geändert und halten jetzt 305° und wollen dicht an der Insel Tobago vorbei in die Karibik einfahren. Der Weg ist nicht weiter als der vorher geplante, aber es ist eben wettersicherer, wenn man innerhalb der Antillen im Atlantik fährt. Die Meeresströmung macht sich bemerkbar. Normal hätten wir ca. 16,5 Knoten, so aber sind es jetzt 21.
Die brennende Sonne vertreibt mich schnell wieder von meinem Sitzplatz auf einem Poller auf dem Achterdeck. Am Abend ein romantischer Sonnenuntergang und auf meinem Cassettenrecorder trällert Grace Jones dazu "Walking in the rain". So langsam müssen die Vorräte verbraucht werden. Heute Abend gab es bei mir chinesischen Orangensaft mit Martini. Wir haben eine sehr laue Mondscheinnacht vor der Küste von Guayana und man kann es gut nur in Badehose bekleidet an Deck aushalten. Am Horizont zähle ich 24 Lichter, die wohl von Fischkuttern stammen.
52.Tag - Mittwoch, 05.09.1984
Der Zeitunterschied zu Deutschland beträgt inzwischen 5 Stunden, nachdem wir letzte Nacht die Uhr wieder eine Stunde zurückgestellt haben. Mit Frau v.P. putze ich den Swimmingpool, wir haben ihn ja auch am meisten genutzt. Nach dem Schwimmen sitze ich abends noch eine Stunde ganz alleine auf dem 2. Aufbaudeck und genieße die Einsamkeit in vollen Zügen bei zunehmendem Mond und einzelnen Wolken, etwas böigem Wind und einem rollenden Schiff. Lange lasse ich die ganze bisherige Reise Revue passieren und unser Start in Deutschland kommt mir schon ganz weit weg vor. Ist er ja eigentlich auch, aber durch die vielen Erlebnisse und Eindrücke verschiebt sich das Zeitgefühl deutlich. Dafür aber scheinen nun die letzten Tage wie im Fluge zu vergehen. Um 21.30 sieht mich mein Bett...
53.Tag - Donnerstag, 06.09.1984
Im Laufe der Nacht haben wir die Insel Tobago nordöstlich passiert und Granada Steuerbord gelassen. Nun sind wir also in der Karibik bei etwas diesigem Wetter und ca. zwei Meter hohen Wellen. Wir rollen wieder. Abends lese ich im "Cafe Sehnsucht" (auch wieder ein Name für eine Bank am Pool). In den Nachrichten erfahre ich vom ersten Schnee im Schwarzwald. Ha ha - ich sitze in kurzer Hose und T-Shirt im Abendwind auf Deck in der Karibik!
54.Tag - Freitag, 07.09.1984
Im Schutze der Grossen Antillen ist die See wirklich sehr ruhig, fast total glatt. Im Radio höre ich die ersten amerikanischen Lokalstationen, was mich sehr berührt. Einer meiner Träume (USA) rückt immer näher. Jetzt aber lassen wir mal erst die Karibik hinter uns und nehmen die Passage zwischen der Dominikanischen Republik und Puerto Rico.
Mittags um 12.00 Uhr sind es noch 1.027 Seemeilen bis Jacksonville, wo wir am Sonntag gegen 19.00 Uhr ankommen wollen. Im Moment jedoch fahren wir noch über sehr tiefem Meer - bis zu 9.012 m tief ist es hier im Puerto-Rico-Graben.
Der Arbeitstag war ziemlich hart. Heute war neben den üblichen Aufgaben die Grundreinigung des Treppenhauses an der Reihe. Dafür ist es aber jetzt nach Feierabend doch noch so hell, dass ich für 20 Minuten vorne auf die Back kann. Am Abend liegt plötzlich eine Liste aus mit der Frage, wer noch in den Staaten Urlaub machen will. Ein kurzer Besuch im Maschinenkontrollraum beschließt diesen Tag.
55.Tag - Samstag, 08.09.1984
Heute beginne ich bereits um 05.00 Uhr und habe die Gänge und die Treppen gebohnert. Der Großputz dehnt sich nun auch auf meine Kammer aus. Die Karte wird abgehängt und die Wände werden geputzt, der Teppich auf die bordübliche Weise entsorgt (...). Zum Abschluss ist wieder mein Waschtag dran. Die See ist total ruhig zu Beginn dieses heißen Sonnentages. Gegen Mittag bewegen wir uns leicht in alle Richtungen und am Nachmittag wird es eine 3 - 4 m langgestreckte Dünung. Bis kurz vor Mitternacht bleibe ich an Deck und beobachte am Horizont das Wetterleuchten.
56.Tag - Sonntag, 09.09.1984
Morgens fahren wir mit reduzierter Fahrt in einem Gewitter. 300 Seemeilen vor uns war gestern Abend der Hurrikan DIANA, dem wir jetzt nähergekommen sind. Im Moment steht er 60 Meilen östlich von Kap Kennedy. Im Radio hören wir von Evakuierungsplänen an der Küste Floridas. Der Wind weht dort an der Küste zur Zeit mit 60 Meilen, eine Flutwelle wird erwartet und es regnet schwer.
Ich lausche den aktuellen Meldungen der Coast Guard und des National Hurrikan Centers. Wir gehen jetzt um 06.30 Uhr noch mehr mit unserer Fahrt herunter und sind auf Schleichfahrt. Ein paar Meilen Steuerbord von uns tut es uns ein anderes Schiff gleich. Man ist auf Lauerstellung, denn der Sturm könnte ja die Richtung noch ändern - die Küste ist im Moment sowieso unpassierbar. Für mich ist das äußerst spannend und ich fühle mich auf meiner „MIRA“ sicher, da unser Kapitän sehr vorsichtig und verantwortungsvoll ist. Nachts wurde der Kurs geändert, und wir befinden uns jetzt im Schutz der Bahamas. Heute Nacht gab es Schlagseite von 15° mit Spitzen von 20°. Um 08.00 Uhr wird die Maschine gestoppt, weil um 05.30 Uhr die Turbine kaputt gefahren wurde. Man will nun versuchen, sie wieder zu reparieren. Aber es ist zu hören, dass es schlimm aussieht und der Chief holt lauter Späne aus der Turbine. So was hat noch niemand an Bord repariert, weil das Arbeit von BBC-Fachleuten ist. Der Alte läuft natürlich mit ziemlich besorgtem Gesicht herum und hat wohl die ganze Nacht noch nicht geschlafen. Die Stimmung ist bei vielen gedrückt. Nur bei mir nicht - aber als Laie kann ich die Schwere des Schadens nicht abschätzen und vertraue einfach auf unsere Techniker.
Jetzt ist es 12.40 Uhr Ortszeit und wir liegen immer noch mit abgeschalteter Maschine. Draußen ist es heiß und schwül wie in der Sauna. In der Ferne bauen sich gigantische Wolkentürme auf. Weit weg von uns sehe ich ca. eine Minute lang den Rüssel eines Tornados. Als er die See berührt, sieht es von hier aus, als gäbe es dort einen Sandsturm. Wie gesagt: weit weg von uns, aber dennoch mit bloßem Auge zu erkennen.
Ich gehe dann doch mal lieber auf die Brücke und stelle fest, dass es bisher noch niemand gesehen hatte. Sofort werden alle verfügbaren Ferngläser benutzt und bei einigen verändern sich spontan die Gesichtszüge... Es bilden sich die nächsten Minuten noch mehrere Tornados, aber alle in für uns sicherer Entfernung.
Gegen 15.00 Uhr startet die Maschine wieder und wir machen langsame Fahrt. Mit dem Fernglas sehen wir bereits die Hochhäuser von Freeport auf dem Grand Bahama Island. Gegen 16.30 Uhr sind die Hotels der Badestrände rund um West End zum Greifen nahe. Die Strände haben weißen Sand und die Palmen reichen fast bis ans Wasser. Traumhaft! Während wir das sehen, wird es wieder sonniger und der Wind frischt auf. Die Sonne taucht wie ein Feuerball ins Meer - so haben wir das während der ganzen Reise noch nicht gesehen. Kaum war die Sonne weg, ging der Vollmond auf und beendete einen spannenden Tag.
9.Woche
57.Tag - Montag, 10.09.1984
Noch ein Nachtrag zu gestern: Um 22.30 Uhr wachte ich wegen der starken Rollbewegungen des Schiffes auf, denn ich rollte dadurch selbst im Bett... Draußen ein Gewitter. Backbord konnte ich die Lichter von West Palm Beach sehen. Im amerikanischen Fernsehen, das wir inzwischen an Bord empfangen können, erfahren wir, dass das Zentrum des Hurrikans 60 km südöstlich von Jacksonville liegt. Wir fahren DIANA also hinterher.
Um 06.00 Uhr ist unsere Position in Höhe von Cap Canaveral, der Himmel bedeckt und die See rau. An Bord kursieren die wildesten Gerüchte, wer noch länger an Bord bleiben muss und wer nicht. Vormittags wird dann eine Liste ausgehängt, nach der ich morgen oder übermorgen ausmustere.
Wir haben Wind 6 und ca. 4 Meter hohe Wellen, der Dampfer verhält sich aber ziemlich ruhig. Mittags muss ich durcharbeiten, es ist noch zu viel zu tun. Um 19.00 Uhr kommt der Lotse an Bord - das heißt dass wir endlich vor der Einfahrt nach Jacksonville angekommen sind. Bei herrlichem Sonnenuntergang fahren wir den St.Johns River hinauf (vorbei an der Naval Air Station) in Richtung Ziel. Die meisten freuen sich wohl, dass sie nach 16 Tagen auf See mal wieder andere Menschen sehen werden. Wir werden "Open-Tickets" bekommen, können also den Heimflug selbst bestimmen. Um 21.40 Uhr sind wir unter der ersten Brücke von Jacksonville durch.
Nun müssen die Kräne gesenkt werden, damit wir auch die Hart Bridge passieren können. Um 23.00 Uhr liegen wir im Dock von Jacksonville. Ziel erreicht! Es kommt wieder reichlich Post - darunter auch eine sehr traurige Nachricht: ein ehemaliger Arbeitskollege von mir wurde in Berlin ermordet. 23.30 Uhr Gesichtskontrolle durch die Einwanderungsbehörde. Um Mitternacht verteilt der Kapitän die Dollars.
58.Tag - Dienstag, 11.09.1984
Von 01.00 Uhr bis 04.30 Uhr laufe ich kreuz und quer durch die Stadt und sauge die fremde Umgebung in mich auf. Ich sehe imposante Hochhäuser mit Glasfassaden, wie wir sie in Deutschland 1984 noch nicht kennen. Alle Lokale sind schon geschlossen und die Stadt ist sehr ruhig. Als ich an Bord zurückkehre, ist das Wasser bereits aus dem Dock gepumpt und wir liegen trocken. Heute ist für alle ein ruhiger Tag und auch ich mache nur das Nötigste. Mittags bei großer Hitze in die Stadt gelaufen und die Post weggebracht. Abends ausgiebiger Landgang...
59.Tag - Mittwoch,2.09.1984
LETZTER TAG AUF DER „MIRA“ ...
Um 10.00 Uhr ist Dienstschluss, und ich packe die Koffer. Nach dem Mittagessen um 12.45 Uhr Zollkontrolle. Wir warten in brütender Hitze und äußerst heftiger Schwüle auf den Bus. So heiß wie hier, hatten wir es die gesamte Reise über nicht gehabt - wir haben 41° im Schatten. Um 13.00 Uhr holt uns der Bus - ein letzter Blick auf die „MIRA“ und ab geht es zum Flughafen Jacksonville. Abflug 15.45 Uhr - Ankunft in Miami um 16.40 Uhr. Um 18.15 Uhr heben wir in einer Boeing 747 der PANAM ab nach Europa.
60.Tag - Donnerstag, 13.09.1984
Um 08.15 Uhr Ortszeit setzen wir in London Heathrow auf und die Mannschaft verteilt sich hier auf verschiedene Flugzeuge für die jeweiligen Heimatstädte.
Eine Nachbetrachtung der Reise:
Übrigens habe ich meinen „Karriereknick“ vom Personalleiter zum Messesteward ganz bewusst und aus voller Überzeugung gewählt und auch später nie bereut. Die Verlogenheit in der Berufswelt war mir oft ein Dorn im Auge. Beispiel: ich sollte als Gewerkschaftssekretär auf Betriebsversammlungen in verschiedenen Hertie-Kaufhäusern dagegen schimpfen dass die Kantine an einen Subunternehmer abgegeben wurde. Genau zur selben Zeit aber machte mein Arbeitgeber DAG genau das Gleiche im eigenen Haus.... Oder aber mit Krawatte rumrennen müssen und nur wie der letzte Dreck behandelt werden.... Im Kaufhaus wurde unterschwellig erwartet, dass man einen Teil seines Einkommens ständig für neue Bekleidung im eigenen Laden wieder abgibt.... Als Personalleiter ständige Ellenbogengefechte ertragen müssen mit einem Verwaltungsleiter (gleichrangiger Kollege), der mir Daten für meinen Arbeitsbereich nicht rausrückte und mich damit in größte Schwierigkeiten brachte und mich dadurch teilweise vor den Mitarbeitern lächerlich machte (heute nennt man so was Mobbing).... Ein Firmenchef, der bei jeder freitäglichen Besprechung im angetrunkenen Zustand auf mir rumhackte: „Was, Sie sind Personalleiter und kommen noch immer mit dem Bus zur Arbeit?“ Diese Sprüche haben leider auch noch bei mir gefruchtet, und ich habe mich mit einem Autokauf hoch verschuldet. Die Schulden habe ich auf See teilweise wieder abgearbeitet....
Ich habe es nicht bereut, meine berufliche Karriere an den Nagel zu hängen und etwas ganz anderes zu beginnen. Die Arbeit hatte mit meinen früheren Beschäftigungen nichts gemein und ich habe mehr mit Dreck zu tun gehabt als je zuvor. Aber ich habe mir selbst bewiesen, dass ich das kann. Ich habe eine ganze Menge mehr von der Welt kennen gelernt und hatte mit die schönsten Augenblicke meines bisherigen Lebens: die Stunden alleine auf dem Vorschiff werde ich mein Leben lang sicher nicht mehr vergessen! Heimweh hatte ich zu keinem Zeitpunkt der Reise und will auf jeden Fall weiter zur See fahren.
Anmerkung im Jahre 2000: diese Bemerkung trifft zu. Auch 16 Jahre später sind mir diese Stunden unvergesslich. Und darum freue ich mich natürlich dementsprechend auf meine für Dezember 2000 geplante Reise nach Buenos Aires.
Ich fuhr anschließend noch auf zwei Forschungsschiffen von Sloman Neptun im Auftrag der geologischen Firma Prakla Seismos. Das Seefahrtbuch sagt:
VS „PROSPEKTA“, mittlere Fahrt, Messesteward, 4 Monate 12 Tage
MS „FLORA“, kleine Fahrt, Alleinsteward, 3 Monate 22 Tage
Leider waren das sehr langweilige Unternehmungen, da wir in der Nordsee auf Suche nach Erdgas waren. Hinter unserem Schiff hingen seitlich über Ausleger zwei Kabel mit Kanonen ins Wasser. Über diese Kanonen wurde Luft mit Hochdruck ins Wasser geschossen. Ein 1.200 m langes Kabel, das wir hinter uns herzogen hatte Mikrophone befestigt, die die Echos der Druckwelle aufnahmen. Im Computer wurde dann ein dreidimensionales Bild der Bodenschichten errechnet. Im Fußgängertempo ging es z.B. 10 km geradeaus. Dann drehte das Schiff und fuhr 50 m daneben wieder eine Linie von 10 km zurück. Und so vergingen die Monate..... Und ich träumte von meiner „MIRA“.
Ausgestiegen bin ich bei der Seefahrt (und das war eine der größten Dummheiten meines Lebens), als die Reederei per Telefon mitteilte, dass mein folgendes Schiff wohl wieder ein Forschungsschiff sein würde, diesmal in der Südsee. Ich hatte aber keine Lust auf so eine Unternehmung in der tropischen Hitze und ohne Häfen und sah mich an Land nach einem Job um. Als ich dann per Einschreiben meine Kündigung zur Post gebracht hatte, machte ich zuhause den Briefkasten auf, und es lag da ein Brief der Reederei, dass mein nächstes Schiff ein Containerschiff sei und die Route San Francisco - Rio fahren würde: Das Traumschiff der Reederei, und ich hatte soeben gekündigt. Dümmer hätte es wirklich nicht laufen können. Ich habe auch keinen Versuch unternommen bei der Reederei zu sagen, sie sollen meinen Brief ungelesen vernichten, denn die Reederei war 1985 natürlich über jeden froh, der von selbst ging.
Ich arbeitete anschließend von 1985 bis 1988 als Barkeeper in Berlin. Dann überraschte mich eine lebensbedrohliche Erkrankung, die dazu führte, dass ich seit 1989 aus gesundheitlichen Gründen Erwerbsunfähigkeitsrentner bin.
In dieser Zeit engagierte ich mich jahrelang in ehrenamtlicher Tätigkeit im sozialen Bereich. Fast vier Jahre hielt ich mich ebenfalls in ehrenamtlichem Engagement in Amsterdam auf.
Meine Hobbies: Containerschiffe, Architektur, Berlin, Fotografie, Computer: In meiner eigenen Homepage stelle ich im Internet meine Hobbies vor.
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