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Ein hochinteressantes Seemannsleben vor über hundert Jahren -

Kapitän Johannes Huber


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Johannes Huber

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Lebensläufe und Erlebnisberichte

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 Band 2 - ISBN 978-3-8476-8634-7

Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute

Ein Beitrag aus Band 2 der gelben Zeitzeugen-des-Alltags-Buchreihe von Jürgen Ruszkowski

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Die Lebenserinnerungen des Kapitäns Johannes Hubert

Inhalt:

Prolog: Die Herkunftsfamilie Hubert:
1. Heimat an Este und Elbe

2. Das Elternhaus
3. Kindheit und Schulzeit
4. Beginn einer Karriere: Schiffsjunge auf großer Fahrt
5. Schiffbruch vor Brasilien
6. Die erste Liebe
7. Als Leichtmatrose Richtung Heimat
8. Wieder daheim
9. Auf See zu neue Ufern
10. Asien
11. Vollmatrose auf der "PAMELIA"
12. Mit Passagieren nach Levante
13. Steuermann auf großer Fahrt und Einjähriger
14. Bei H. M. Gehrkens auf Finnlandfahrt
15. Der erste Weltkrieg
16. Schmerzlicher Abschied von der Kriegsmarine
17. Zwischen den Weltkriegen bei H.M.G. - Mittelmeer
18. Mit der "WANDRAHM" auf stürmischer Fahrt
19. Finnland / Russland
20. Das Funkpatent
21. Der zweite Weltkrieg
22. Wiederbeginn nach dem Krieg

Die Herkunftsfamilie Hubert (Prolog)

Heimat an Este und Elbe
(Auszug aus Drestedter Courier, Hauszeitschrift der Ernst F. Hubert KG, 13.11.1953)

Die Familie Hubert entstammt dem Alten Land. Zwischen Buxtehude und Cranz, an der Elbe, wo einmal holländische Siedler und Deichbauer den Estefluß überschritten und die Estebrücke erbauten, liegt das Fischerdorf Estebrügge. Dort sind die Bartels und Behrends, die Feindt und Hauschildt, die Köpcke und Pickenpack, Palm, Quast und Wegener zu Hause. Hier und in Cranz, wo die Este in die Elbe mündet und ihre Schifffahrt den Kontakt mit der weiten Welt fand, ist die Heimat der Familie Hubert. Immer wieder im Laufe der Jahrhunderte durchbrachen Sturmfluten die Deiche und zerstörten die mühselig gepflegten Gärten der Obstbauern. Immer wieder stieß aber auch die Kühnheit dieser Menschen hinter sicheren Deichen hervor auf die freie See, um den unermesslichen Reichtum des Meeres zu ernten. Kampf um das stets bedrohte Land, Kampf gegen Sturm und See, Bewährung in hundert Gefahren. Kaufmännisches Abwägen, beharrliche Bestellung des Bodens, verwegene Ausfahrt in alle Meere, gefahrvolles Bauern- und Seefahrerleben bildeten den Menschenschlag, der in Estebrügge und Cranz unter den hohen Fachwerkgiebeln mit den Schwanenköpfen wie unter den roten Dächern engstehender Schifferhäuser auf den Deichen zu Hause ist. Die Seefahrtgeschichte der Huberts begann mit hartem Seemannslos und Witwentrauer. Paul Hubert aus Estebrügge verließ seinen Handwerksberuf, um Schiffer zu werden. Vom Streben erfüllt, sich in der Welt zu erproben, kaufte er sich einen Ewer und fuhr Fracht nach England. Er taufte ihn auf den Namen seiner Frau "Maria", einer geborenen Kordes aus Estebrügge. Sein Lebensschicksal wird durch eine zierliche Bleistiftnotiz in einem Familienbuch der Huberts festgehalten: Paul Hubert, geboren am 14. Januar 1811, am 29. November 1852 vom Hause gegangen, verloren Dezember 1852.

Im Alter von 41 Jahren blieb Paul Hubert auf See, die sein Schiff mit Mann und Maus schluckte. Die 37jährige Witwe und sieben unmündige Kinder blieben allein zurück. Aus eigener Kraft musste Mutter Maria sie nähren, kleiden und zu ordentlichen Menschen erziehen. Wie sie das machte, erscheint auch heute noch fast wie ein Wunder. Mit der Herstellung von Wachskerzen konnte sie sich ein großes Vermögen erwerben. Schon 1854 gehörte ihr ein Schiff „Maria 2", dem später die Schiffe „Sidonie", „Immanuel" und „Johanna" folgten. Trotz ihrem Kinderreichtum hatte sie es zu einem solchen Wohlstand gebracht, dass sie bei ihrem Tode am 4. August 1889 jedem ihrer sieben Kinder eine Erbschaft von 14.000 Mark hinterließ. Lange hieß es noch voll Bewunderung im Familienkreis „Hut ab vor Mutter Hubert", wenn man von der großen, blonden Frau sprach, deren Bild in der guten Stube der Cranzer Wohnung hing, eine ernste, energische Frau im schwarzseidenen Staat der Altländer Bauerntracht. Als in jenen traurigen Weihnachtstagen des Jahres 1852 Mutter Hubert vor dem Nichts stand, war das Haus voller Kinder, die alle ihrer Hilfe bedurften. Ihr ältester Sohn Johann war gerade erst vierzehn, das jüngste Kind sieben Monate alt. Johann - oder wie man ihn kurz nannte - Jan, fühlte Mitverantwortung, empfand die Schwere des Schicksals, das über die Mutter und die Kinder hereingebrochen war. Und Jan wollte mitverdienen, um es der Mutter leichter zu machen. So kam Jan mit vierzehn Jahren zu seinem Onkel in Neuhaus in die Lehre. Aber, wie der Vater, hielt auch er es bei dem biederen Handwerk nicht lange aus.

Er ging zur Seefahrt über, und mit 22 Jahren führte er als Kapitän selbständig das erste Schiff seiner Mutter. Zwei Jahre später heiratete er die Tochter des angesehenen Cranzer Schiffsreeders und Kapitäns Nikolaus Wettern. Jan Hubert und seine jungvermählte Frau Engel machten ihre Hochzeitsreise auf dem Schiff "Johanna". In Genua konnte der junge Kapitän seiner Frau etwas von der Schönheit der Welt zeigen, von der alle jungen Herzen hinter den Este- und Elbdeichen träumten. Der welterfahrene Schwiegervater mochte dem jungen Jan Hubert einen guten Start ins Leben gegeben haben, denn schon bald stand Jan am Steuer seines dritten Schiffes, der schnellen "Antelope", die er lange auf Südamerikafahrt führte und deren Besitzer und Reeder er als Partenreeder mit seinem Schwiegervater zusammen war. Die "Antelope" wird damals eines der schnellsten Schiffe der Cranzer Flotte gewesen sein und segelte regelmäßig auf der Linie Hamburg - Rio.

Nach der Hochzeitsreise begleitete Engel ihren Mann nicht mehr auf seinen Fahrten; denn nach Rückkehr von der ersten Reise nach Südamerika kam schon eine kleine Maria in dem Hause in Cranz an, das Schwiegervater Wettern 1851 gebaut hatte und in dem Jan und Engel nun wohnten. Ihre erste Tochter nannten sie Maria nach Jans tüchtiger Mutter, wenig später folgten Emma, dann Pauline. Erst das vierte Kind wurde ein Junge: Ernst Franz, der 1903 eine Tranfabrik in Drestedt bei Hollenstedt gründete. Ihm folgten noch zwei Brüder: Johannes und Gustav. Johannes wurde Kapitän bei der Reederei H. M. Gehrkens und ist die Person, um deren Autobiographie es hier geht, Gustav ging als Exportkaufmann nach Südamerika (Bolivien).

Mit zunehmender Kinderschar und wachsendem Wohlstand betrieb Jan Hubert dann ab 1875 seine Partenreederei von Cranz aus und sorgte dafür, dass die um viele weitere Neubauten vermehrte Flotte gut ausgerüstet und richtig eingesetzt wurde. "Magnet" - "Wilhelmine" - "Allemania" - "Axel" - "J.G.Fichte" - "Hinrich" - "Alwine" - "Gottlieb" - "Emilie Hessenmüller" hießen die Schiffe der Reederei Hubert, und Kapitän Jan selbst setzte den Dampfer "Este" für den Passagier- und Frachtverkehr auf der Elbe und Unterelbe in Betrieb, den sein Schwiegervater Nikolaus Wettern zusammen mit Kapitän Behr 1859 in London gekauft hatte.

In dem kinderreichen Cranzer Hause Jan Huberts herrschte in jenen blühenden Jahren reges Leben. Alle Hände von Groß und Klein wurden gebraucht, wenn eines der vielen Segelschiffe eine Reise antreten sollte. Bei der Verproviantierung der eigenen Schiffe musste die ganze Familie des Schiffsreeders mithelfen. In dem Schuppen hinter dem Wohnhaus und auf dem gepflasterten Hofplatz saßen die Frauen und Mädchen und schnitten Bohnen, hobelten Weißkohl und salzten das Gemüse ein oder bereiteten Sauerkohl. Ochsen wurden geschlachtet und das Fleisch in große Pökelfässer eingesalzen. Dann kam der Küper aus Neuenfelde herüber und verschloss die Fässer, damit sie in den Provianträumen an Bord verstaut werden konnten. Diese Vorräte mussten für lange Reisen ausreichen, dauerte eine Reise nach Südamerika doch mit dem Segelschiff zwei bis drei Monate. Gepökeltes, Sauerkohl, Salzbohnen und Schiffszwieback - daraus konnte der Smuttje keinen abwechslungsreichen Speisezettel an Bord zusammenstellen. Gemüse, vitaminreiche Frischkost hatte er nicht zur Verfügung, und so stellten sich damals leicht Nahrungsschäden wie Skorbut ein, wenn die Männer auf langen Seereisen unterwegs waren. Gerade in der Seefahrt hat man deshalb zuerst erkannt, was für eine wichtige Rolle die Vitamine für die menschliche Ernährung spielen.

Wenn die Brüder von ihren Reisen zurückkehrten, füllte sich die kleine Wohnung in Cranz mit allerlei exotischen Erinnerungen aus fremden Ländern. Manches Abenteuer, manch schwierige Lage wurde nach der Heimkehr getreulich berichtet.

Das Jahr 1888 bedeutet für die Cranzer Kapitäne und Reeder ebenso wie für die deutsche Hochseefischerei eine Wende. In diesem Jahr gründeten 17 Cranzer Kapitäne eine „Gesellschaft zwecks Beschaffung eines Fischdampfschiffes, womit Seefischerei betrieben resp. der Transport von in der Cranzer Fischerkasse versicherten Fischkuttern oder Ewern gefangenen Fischen zum Markt geschehen soll".

Bis dahin waren die Finkenwerder und Blankeneser Fischkutter in der Hochseefischerei führend. Aber sie konnten ihre Fänge nicht so schnell auf den Fischmarkt bringen wie die schnellen, vom Wind unabhängigen Fischdampfer, die zuerst in England gebaut wurden und dann nach Deutschland kamen. Wenn die Dampfer bereits ihre Ladung gelöscht hatten, kreuzten die Fischkutter noch gegen den Elbwind stromauf und lieferten ihre Fänge auf dem Fischmarkt ab, nachdem sie viele Tage, fast Wochen in der Bünn gelagert hatten.

So wurden der Kaufmann August Bröhan in Cranz und dessen nächste Anverwandte, alte Segelschiffkapitäne und Seefahrer, die sich mit der Fischerei nie abgegeben hatten, Gründer der ersten Fischdampferreederei an der Niederelbe, und lange noch haben die niederelbischen Kutterfischer in einer Mischung aus Neid und Hochachtung die Cranzer Fischdampfer spöttisch die "Bauerndampfer" genannt, weil die Besitzer keine Leute "vom Fach" waren. Aber die Cranzer gingen mit solcher Tatkraft an die neue Aufgabe, dass sie schon bald keine Fischmeister mehr an Bord brauchten, die sie anfangs noch einstellen mussten.

Einer der führenden Leute der Cranzer Dampffischerei war von Anfang an Jan Hubert. Zusammen mit dem alten Cranzer Segelschiffkapitän Hein Fock und dem jungen Gemeindevorsteher August Bröhan gehörte er zum Kreise der Bevollmächtigten, die den Bau des ersten Fischdampfers in Auftrag geben und überwachen sollten. Der schon bald nach der Probefahrt des ersten bei Jürgens & Co. auf Steinwärder erbaute zweite Fischdampfer erhielt auch dann den Namen der beiden Mitbegründer der Fischdampfergesellschaft "Fock und Hubert". Es kam die "Witt" und "Bartels" dazu. Die beiden Dampfer hatten jeweils 115.000,- Mark gekostet. Das konnte in so kurzer Zeit gemacht werden, weil in dieser Zeit die Dampfer nie unter 20% Dividende abwarfen.

Jan Hubert hat sich als Vorstandsmitglied der Cranzer Fischdampfergesellschaft bis zu seinem Tod dem Bau neuer Fischdampfer und der Geschäftsführung der Gesellschaft gewidmet. Nach 17jähriger Vorstandstätigkeit starb er im Alter von 67 Jahren auf einer Inspektionsreise nach Geestemünde, wo er die Bauarbeiten an dem Neubau des Fischdampfers "Neuenfelde" beaufsichtigen wollte.

Das Elternhaus (Autobiographie Johannes Hubert)

Als siebentes Kind des Reeders und Kapitäns Johann Hubert und seiner Ehefrau Engel, geb. Wettern, wurde ich am 16. l0. l879 in Cranz an der Elbe geboren.

Ob es stimmt, weiß ich nicht, aber noch heute behaupten alle Geschwister, ich sei der Liebling und Verzug der ganzen Familie gewesen, obwohl ich nicht einmal das Nesthäkchen war. Ich selber hatte aber niemals den Eindruck, besonders bevorzugt behandelt worden zu sein.

Meine Eltern hatten im Alten Lande ein schönes großes Haus direkt am Elbe- und Estedeich gelegen. Der Obstgarten, aber besonders die Este und Elbe, waren für uns Kinder die Quellen vieler Erlebnisse. Mein Vater, früher Seekapitän, fuhr auf den damals doch recht kleinen Seglern von Hamburg nach Brasilien, Argentinien, Südafrika, China usw. Die Schiffchen hatten durchschnittlich eine Größe von zirka 300 Ladetonnen. Meine Mutter machte Fahrten nach Brasilien und China mit und wenn man sich heute die Bilder der Schiffe ansieht, muss man den Mut dieser Frau bewundern.

Später blieb mein Vater dann an Land und gründete mit einigen Freunden eine Segelschiffreederei, deren Schiffe ungefähr 300 Ladetonnen groß waren. Alle Erdteile wurden mit diesen kleinen Nussschalen angelaufen. Einen kleinen Raddampfer hatte mein Vater auch noch, er hieß "Este" und machte Passagierfahrten zwischen Cranz und Buxtehude sowie zwischen Cranz und Hamburg. Anscheinend lohnten sich diese Fahrten, sie brachten Geld ein, und das Finanzamt hatte damals bescheidenere Ansprüche, so konnten dann später noch zwei Ziegeleien ins Leben gerufen und ein Eisschuppen gebaut werden. 500 Tonnen Eis fasste der Schuppen, und die Hamburger Fischdampfer waren dankbare Abnehmer. Das Eis wurde von einem abgeteilten Land der Ziegeleien abgenommen, nachdem dort im Herbst Wasser eingefüllt worden und es dann gefroren war. Der Eisschuppen wurde 1920 abgebaut, da sich durch das Aufkommen des Kunsteises dieses Geschäft nicht mehr lohnte. Die Ziegeleien wurden 1904 stillgelegt, weil nicht mehr genug Land zur Verfügung stand. Die "Este" wurde 1910 verschrottet.

Einige unserer Schiffe gingen im Laufe der Jahre auf See verloren, so z.B. die "Allemania", die auf einer Reise von La Plata nach Valparaiso bei Kap Horn unterging. Von deren Besatzung hat man nie wieder etwas gehört. Man hatte ja früher keine Funkgeräte und konnte so in Seenot keine Hilfe anfordern. Die "Johanna" verscholl auf einer Reise von Italien nach Hamburg und die "Axel" strandete 1895 vor Macao (Brasilien) und wurde schwer havariert nach Macao gebracht. Man erklärte das Schiff dort für reparaturunfähig und mein Vater verkaufte es dann für 4.000 Mark. Die "Antelope" blieb für einen Kaufpreis von 24.000 Mark in Brasilien. "Wilhelmine" wurde in Deutschland für 32.000 Mark verkauft, "Magnet" in England für 12.000 Mark und "Emilie Hessenmüller" wechselte in Deutschland für 52.000 Mark den Besitzer. "I.G. Fichte" ist dann später auch verschollen.

Die Segelschifffahrt lohnte sich auch in der Zeit schon nicht mehr, man musste sich umstellen, denn von den neuzeitlichen Dampfern konnte man mehr erwarten. So fing man nun an, Fischdampfer zu bauen. Auf einer Fahrt nach Bremerhaven, wo mein Vater gerade wieder einen Fischdampfer bestellt hatte, wurde er von einem Herzschlag ereilt und starb einige Stunden später. Meine Mutter starb am 21.11.1931 drei Tage vor ihrem 90. Geburtstag. Meine Schwester Maria Catherina heiratete den Kapitän Ulrich, Emma Anna blieb unverheiratet, Pauline ehelichte Heinrich Popp. Mein Bruder Ernst heiratete Lissy Fock und mein Bruder Gustav Käte Röhrs.

Kindheit und Schulzeit

Aber ich will ja meine Lebenserinnerungen schreiben, da muss ich dann wohl erst mal bei der Schulzeit beginnen. Zunächst besuchte ich die Schule in Cranz und, wenn ich heute meine Zeugnisse betrachte, muss ich feststellen, dass ich eigentlich ein ganz guter Schüler war, mein Sohn darf sich ruhig die Zeugnisse seines Vaters ansehen.

Als Kinder, und noch dazu als Seemannskinder, zog es uns natürlich in jeder freien Minute ans Wasser und es gab dort nichts, was uns nicht interessiert hätte, alles musste untersucht werden. An irgendwelche Gefahren dachte keiner von uns Buttjes, wir fühlten uns schon als Kapitäne auf großer Fahrt, jede Planke war uns recht und die Ufer der Este und Elbe waren für uns damals die große Welt. Im Winter, wenn die Elbe zugefroren war, zogen wir schon frühmorgens los, schlugen Löcher ins Eis und setzten Quappenangeln aus. Leckerbissen für die Quappen waren kleine Aalstückchen, die wir kunstgerecht an den Angelhaken befestigten; nachmittags wurde dann die Beute eingeholt - es lohnte sich immer - und Mutter freute sich dann über den Fischsegen. Bei starkem Frost war dieser Angelsport ohne Gefahr, aber welcher Junge versucht nicht, auch dann noch aufs Eis zu gehen, wenn es schon so brüchig ist und so schön gefährlich knistert. Wir wagten da oft allerhand und Mutter hätte vorzeitig graue Haare bekommen, wenn sie gewusst hätte, was ihre Buben da unten am Wasser für gefährliche Spiele trieben.

Eines Tages war es dann auch so weit. Tauwetter hatte eingesetzt und wir wollten unsere kostbaren Angeln nicht opfern. Also betraten wir die schon sehr brüchige Eisfläche und tasteten uns Schritt für Schritt auf unser Jagdgebiet zu. Es knackte hie, es knackte dort und ehe wir uns versahen, hatte sich eine Scholle gelöst - natürlich gerade die, auf der wir standen - und trieb ab. Es war uns nun gar nicht mehr wohl, die Freude am gefährlichen Spiel erschien uns nun doch recht zweifelhaft. Wir trieben mit der tückischen Scholle elbabwärts und wussten nicht, wie wir wieder an Land kommen sollten. Wie richtige Schiffbrüchige kamen wir uns vor und an Rettung glaubten wir auch nicht mehr.

Nachdem wir ungefähr 6 Kilometer abgetrieben waren, lief unsere Scholle an ein Stack, das bei Hinterbrack in die Elbe hinausgebaut war. Das war unsere Rettung. Jetzt aber hieß es, ungesehen nach Hause zu kommen, denn jetzt steckte jedem von uns so eine kleine Angst vor dem häuslichen Ungewitter in den Gliedern und ließ uns die ausgestandene Angst vergessen.

Zu Hause angekommen, erzählten wir natürlich nichts von unserem großen Abenteuer, aber im Dorf hatte sich unsere Schollentour doch herumgesprochen und die Jungens, die nicht mit von der Partie waren, machten auch gleich Spottverse auf unsere Reise. Sie sangen bei jeder Gelegenheit hinter uns her:

„Hannes Hubert is met de Elv wegdreben, widewidewitt bum bum,
han we ihn nu nich wädder dregen, widewidewitt bum bum,
wör de uns ganz nach Stad' hindreben, widewidewitt bum bum.“

Dieses Erlebnis hielt uns natürlich nicht davon ab, bei nächster Gelegenheit wieder Quappen zu fischen. Der Seemannsberuf steckte wohl in besonderem Maße bei mir im Blut, denn als einziger meiner Brüder beschloss ich, Seemann zu werden. Meinen Vater freute das sehr und er meinte zu meinem Entschluss, da müsse ich erst einmal eine Ausbildung im Segelnähen bekommen, damit ich auch später Segel flicken könnte. So hatte ich mir das eigentlich nicht gedacht, aber wenn mein Vater das meinte, musste es sicher dazugehören. So erlernte ich das Segelnähen beim Segelmacher Köster in Cranz.

In der Freizeit war ich meistens unten am Wasser und träumte von den zukünftigen großen Erlebnissen, die ich sicher haben würde.


Eines Tages - es war um die Mittagszeit - hörte ich lautes Geschrei von mehreren Kindern, die schrieen "Hilfe, Hilfe he verdrinkt!" Ich rannte hin und sah noch gerade, wie ein siebenjähriger Junge in der Este wegsackte. Schnell hatte ich meine Schuhe ausgezogen, meine Jacke flog im hohen Bogen durch die Gegend und ich sprang ins Wasser. Der Junge kam zum Glück noch einmal hoch, ich bekam ihn zu fassen und schwamm mit ihm an das Ufer. Ich fühlte mich als Lebensretter richtig glücklich und die Mutter freute sich sehr, ihren Jungen wieder lebendig im Arm halten zu können.

Beginn einer Karriere: Schiffsjunge auf großer Fahrt

1894 wurde ich konfirmiert und aus der Schule entlassen. Im Juli sollte dann für mich das große Erlebnis meines jungen Lebens stattfinden, meine erste Reise.

Zu dieser Zeit hatte mein Vater seine Schiffe noch nicht verkauft und ich sollte meine seemännische Ausbildung auf den väterlichen Schiffen erhalten. Mein Vater hatte seinen Dreimastschoner "AXEL" in Hamburg liegen mit Stückgutbeladung für Pernambuco in Brasilien und auf diesem Schiff wurde ich als Schiffsjunge angeheuert. Die Besatzung bestand aus acht Mann.

Noch heute weiß ich genau, aus welchen Sachen meine Ausrüstung bestand: drei Wollhemden, drei Unterhosen, vier Paar Wollstrümpfe, ein Sonntagsanzug, zwei Arbeitsanzüge, zwei Schals, ein Paar Seestiefel, ein Paar Schuhe, ein Paar Hausschuhe, ein Ölmantel, eine Ölhose, ein Südwester, eine Matratze, zwei Wolldecken, Kleinigkeiten wie Seife, Zahnbürste etc. Das war alles. Diese Ausrüstung kostete etwa 300 Mark. Nun fing auch ich an zu verdienen und bekam im Monat 12 Mark Heuer. Voller Erwartung trat ich meine erste Seereise an und wie jeder Junge träumte ich von wilden Abenteuern. Der Kapitän hatte seine Frau und zwei Kinder an Bord, die diese Reise mitmachten. Es gibt später noch allerlei von dieser Reise zu erzählen. Bis Glückstadt wurde unser Schiff von einem kleinen Schlepper "Goliath" geschleppt, dann wurden die Segel gesetzt und mit eigener Kraft segelten wir bis Cuxhaven, wo der Lotse von Bord ging. Unter vollen Segeln fuhren wir dann durch die Nordsee, am 2. August 1894 passierten wir Dover und segelten mit gutem Wind durch den englischen Kanal.

Im Ozean machte ich aber schon die erste Bekanntschaft mit schweren Stürmen, wir mussten die Segel bergen und mit kleinen Segeln weitersegeln. Das oberste Segel, Royal genannt, musste vom Schiffsjungen - das war ich - festgemacht werden. Also rauf, sich mit Füßen und Beinen festhaltend, mit den Händen arbeiten. Es ist gar nicht so leicht, wie es aussieht, denn bei Sturm liegt ein Schiff wahrlich nicht ruhig in der See und oben spürt man die Schwingungen bedeutend stärker als unten. Die Reise ging so weiter, bis wir den NO Passatwind 35°Nord antrafen. Der Wind blies dort mit einer Stärke von Beaufort 8. Man kann ihn gut ausnutzen, da er bei SSW-Kurs von achtern kommt.

Nach 30 Tagen wurde der Äquator passiert, natürlich kam dort auch Neptun an Bord, um die übliche Taufe vorzunehmen. Wer noch keinen Taufschein hatte, wurde erst einmal ordentlich eingeseift, mit einem großen Holzmesser rasiert und dann "sanft" unter Wasser gedrückt. Damit war die Taufe vollzogen und Neptun überreichte den Taufschein. Für mich war es mit meinen eben 14 Jahren ein Erlebnis.

Ende September 1894 kamen wir nach einer 35tägigen Reise in Pernambuco (das heutige Recife) an. Die Freude war sehr groß, denn nun gab es endlich wieder frisches Fleisch, Gemüse usw., denn das ewige Salzfleisch, Salzspeck und der Klippfisch hingen uns schon zum Halse heraus. Nach den üblichen Formalitäten durften wir an Land. Es war angenehm, mal wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Leider währte der Urlaub nicht lange, denn die Ladung musste gelöscht werden. Dies bedeutete damals eine echte Schinderei, denn alles musste mit Handwinden rausgedreht werden. Früh um sechs hieß es "Alle Mann an Deck!" und bei 30° C im Schatten war dann die Arbeit eine Qual. Wenn um 12 Uhr Mittagspause war, haute man sich irgendwo in eine schattige Ecke, um etwas auszuruhen. An Essen dachte niemand, man hätte doch keinen Bissen heruntergekriegt. Um ein Uhr ging es dann weiter bis abends um sieben. Anschließend musste dann noch das ganze Schiff geschrubbt werden. Das Schiffsdeck wurde außerdem ständig nass gehalten, um ein Austrocknen der Planken zu verhindern. Den Achtstundentag gab es damals noch nicht. Kam man aber endlich todmüde in die Koje, ließen einem die Moskitos keine Ruhe, von den Ratten ganz zu schweigen. Drei Wochen hatten wir im Hafen zu tun, nur der Sonntag gehörte uns. Dass wir uns die ganze Woche darauf freuten, kann man wohl verstehen.

Am 1. Oktober war das Schiff leer. Es wurde mit Sandballast aufgefüllt und weiter ging es zum nächsten Ziel Macao, etwa 1000 Seemeilen von Pernambuco entfernt. Acht Tage dauerte die Fahrt. Macao war damals ein kleiner Hafen mit 500 Einwohnern, samt und sonders Eingeborene außer einem 70jährigen Hamburger, der dort eine kleine Bierwirtschaft betrieb. Da Macao keine Kaianlagen hatte, mussten wir auf Reede bleiben. Genau an meinem 15. Geburtstag wurde mit Laden begonnen. Es sollten 100 Tonnen Salz und 1000 Ballen Baumwolle übernommen werden. Zwei Tage brauchten wir erst einmal, um den Sandballast loszuwerden. Der Einfachheit halber wurde er einfach über Bord geschaufelt. Insgesamt 10 Tage brauchten wir also, um die Ladung aufzunehmen. Abends war die Luft dick von den Moskitoschwärmen, so dass man nicht atmen konnte, ohne diese Insekten zu schlucken. Diese Plage war manchmal nahezu unerträglich, aber man war ja jung, da nahm man das alles ohne viele Worte als Tatsache eben hin.

Schiffbruch vor Brasilien

Am 27. Oktober lichteten wir frühmorgens die Anker, setzten die Segel und bei einer frischen Brise kamen wir gut vorwärts. Nach 12 Seemeilen hatten wir offenes Wasser erreicht, aber vor dem tiefen Wasser war noch eine Barre (Sandbank) zu passieren. In deren Höhe stieß das Schiff durch die Dünung durch und sprang infolge der starken Stöße auf die Sandbank und schlug leck. Wir gaben Notsignale, d.h. wir schossen einige Raketen ab, die gottlob an Land gesehen wurden. Nach einiger Zeit kam ein kleiner aus Holz gebauter Schlepper, der uns - nachdem wir ein Teil der Ladung über Bord geworfen hatten - nach Macao zurückbrachte. Der Rest der Ladung ging an den Ablader zurück. Die anschließende Besichtigung des Schadens ergab, dass das Schiff nicht mehr reparaturfähig war. "Axel" sollte nun verschrottet werden und wir saßen in Macao, auf Nachricht wartend, was weiter geschehen sollte. Im November wurde die gesamte Besatzung bis auf den Kapitän, dessen Familie, den Koch und mich als Schiffsjunge abgemustert und über Pernambuco nach Hause geschickt.

Für uns Zurückgebliebene fing nun eine langweilige Zeit an. Es wurde gefischt, gefischt und nochmals gefischt. Ein Tag verging wie der andere. Ging das Geld aus, wurde etwas vom Inventar verkauft, ansonsten warteten wir auf ein Wunder, das uns in die Heimat zurückbringen würde. Weihnachten verlief ruhig und still, in der Sehnsucht in der Heimat zu sein.

Im Januar 1895 stellte sich an Bord ein erzählenswerter Zwischenfall ein. Der Kapitän war gerade an Land gegangen, als wir - der Koch und ich - aus der Kajüte des Kapitäns lautes Schreien hörten. Wir rannten hin und sahen die Frau des Kapitäns sich vor Schmerzen windend. Sie hatte eine Fehlgeburt und da an Bord keine andere Hilfe war, mussten wir Hebammendienste leisten. Der Koch eilte los, um den Kapitän zu suchen und einen Arzt zu finden. In dieser merkwürdigen Situation musste ich 15jähriger Bengel der Frau behilflich sein. Ich hätte nie gedacht, dass zu einer Seemannsausbildung auch Wöchnerinnenhilfe gehört. Erst nach zwei bangen Stunden kam der Kapitän und brachte einen Arzt mit. Alles war aber inzwischen gut abgelaufen und zu meiner Erleichterung wurde ich von meinem Posten abgelöst. Die Frau des Kapitäns erholte sich bald wieder und alle waren heilfroh, dass sie wieder wohlauf war. Immer noch waren wir in Macao und niemand wusste, wie lange wir dort noch aushalten mussten.

Da traf uns im Juli ein schwerer Schicksalsschlag. Unser Kapitän erlag einem Herzschlag. Es war gegen Abend, als er starb. Wegen der großen Hitze konnte die Beerdigung nicht lange hinausgeschoben werden, d.h. es musste schnell gehen. Der Arzt kam an Bord und stellte die Sterbeurkunde aus. Holz für einen Sarg gab es in dem Nest nicht, also mussten wir an Land aus Kisten, in denen Streichhölzer verladen wurden, einen Sarg zimmern. Damit er nicht gar so armselig aussah, nagelten wir schwarzen Stoff auf das Holz.

Es war fast Mitternacht, als wir mit einem Kanu zum Schiff zurückruderten. Als wir den Sarg per Flaschenzug fast an Bord gehievt hatten, fiel uns der Deckel runter und da er aus sehr dünnem Holz war, zersplitterte der Deckel in tausend Stücke. Abermals fuhren wir los und besorgten uns das Material, um einen neuen Deckel zu zimmern. Nachdem uns das gelungen war, betteten wir unseren toten Kapitän in diesem primitiven Sarg. Uns war recht schwer ums Herz, denn wir mochten ihn gern. Seine Familie tat uns so leid, weil sie ihren lieben Toten in fremder Erde lassen musste.

Um sechs Uhr morgens ruderten wir dann mit einem kleinen Boot und unserer traurigen Last in die Nähe des Friedhofes, eine Strecke von gut 10 Kilometer. Wir mussten mit dem Sarg dann noch zwei Kilometer durch Wüstensand. Weil wir immer wieder einsackten, verfielen wir dauernd in Trab. Es waren jeweils sechs Träger und wir mussten uns wegen der großen Anstrengung oft abwechseln. Auf dem Friedhof mussten wir feststellen, dass die von uns mühsam ausgeschaufelte Grabstätte wieder eingefallen war. So musste bei 40° C die Arbeit nochmals getan werden. Drei weitere Boote mit "Leidtragenden" kamen noch, sicherlich weitgehende Neugierige, denn so viele Leute kannten wir in dem fremden Land gar nicht. Einen Pastor gab es natürlich nicht, so musste ich zur Abwechslung mal den Pastor ersetzen, die Trauerrede halten und das Vaterunser sprechen. Nach der Zeremonie meinte der Koch, dass unser guter Kapitän auch ein Kreuz auf sein Grab bekommen sollte. Wir hatten denn auch bald ein paar Balken aufgetrieben und zimmerten ein Kreuz. Wir hatten gut drei Wochen mit dem Einschnitzen der Inschrift zu tun. Sie lautete:

Hier ruht in Gott, fern von der Heimat
Kapitän Heinrich Lünstedt aus Bützfeld
geboren am 12. März 1859 - gestorben am 15. Juli 1895

Dieses Kreuz brachten wir dann eines Tages zum Friedhof und waren froh, dass unser "Alter" wenigstens ein Grabmal hatte, wenn auch nur in Form eines einfachen Holzkreuzes, das wir mit um so mehr Liebe gezimmert und geschnitzt hatten. Frau Lünstedt quartierte sich an Land ein, von wo sie mit ihren Kleinen am 20. Juli via Pernambuco nach Hamburg zurückkehrte.

Nun waren der Koch und ich alleine an Bord zurückgeblieben. Im Laufe der Zeit lernten wir allerlei Menschen kennen. Wir wurden auch oft von dem Ablader eingeladen, einem Kaufmann, der mit meinem Vater in Geschäftsbeziehungen stand und nebenbei Plantagen und Salinen besaß. Er hatte einen Sohn von 10 Jahren und eine Tochter von 14 Jahren. Hier geschah es, dass ich zum ersten Mal mein Herz verlor.

Die erste Liebe

Eines Tages hatte ich einen kleinen Unfall und wurde bei der Familie Herculanum sechs Wochen lang aufgenommen, gepflegt und verwöhnt. Besonders die kleine Elisabeth bemühte sich sehr um mich. Da war es kein Wunder, dass ich mich in sie verliebte und fest entschlossen war, sie eines Tages zu heiraten.

Elisabeth's Eltern mochten mich auch gerne, sie hätten mich am liebsten gleich dabehalten. Ich sollte dann später ins Geschäft einsteigen und es übernehmen. Dass ich für den Plan Feuer und Flamme war, wer könnte das nicht verstehen, aber ...

Nach sechswöchigem Aufenthalt bei meinen liebenswürdigen Gastgebern war ich "leider" wieder gesund und musste wieder an Bord zurück. Wir besuchten uns dann noch monatelang gegenseitig. Ich hatte schon nach Hause geschrieben, dass ich in Macao bleiben und Elisabeth Herculanum heiraten wolle. Da hatte ich aber ganz schön ins Fettnäpfchen getreten. Meine Eltern werden schön gewettert haben, jedenfalls hatte Vater an seinen Kapitän Peters geschrieben, der in Pernambuco die "Wilhelmine" löschte, dass er sich um den verliebten Sohn in Macao kümmern möge. Es wurde wieder Weihnachten und Neujahr 1896.

Am 10. Februar 1896 kam unerwartet Kapitän Peters in Macao an und ich war über den Besuch ziemlich erstaunt. Schnell stellte sich heraus, dass er Order von meinem Vater hatte, die "Axel" zum Abwracken zu verkaufen und mich nach Hause zu befördern. Nun hieß es Abschied nehmen, es flossen endlos Tränen, aber es half nichts, ich musste mit. Bis alles erledigt war, wohnte ich noch mit Kapitän Peters in einem Hotel, d.h. das was man dort so Hotel nannte. Hängematten und drunter liefen Schweine, Hühner und Gänse herum. Über meine Erlebnisse in Macao wusste die Drestedter Familienchronik vor einigen Jahren folgendes zu berichten:

„...Aus fernen Häfen trafen Briefe und Telegramme in Cranz ein, die über Schiff und Ladung sowie Besatzung berichteten, und so die Familie immer mit der fernen Welt verbanden. Dabei trafen nicht immer gute Nachrichten ein, und als eines Tages der Kapitän der "Axel" aus Macao meldete, dass das Schiff leckgesprungen sei, und nicht mehr repariert werden könne, war guter Rat teuer. Es fehlte nicht an Landhaien im internationalen Hafenviertel der "Portugiesischen Kolonie", die jetzt ein Geschäft witterten, und nun das Wrack für ein Taschengeld erwerben wollten. Versicherungen, die den Verlust eines Schiffes ersetzten, hatten noch ihre Tücken. So machten sich auf Weisung von Jan Hubert der Kapitän und seine Leute daran, das Schiff in eigener Regie abzuwracken und die einzelnen Teile selbst zu verkaufen.


Es wäre auch alles gut abgelaufen, wenn die "Axel" alleine draufgegangen wäre. Aufregender muss es jedoch gewesen sein, als in Cranz die Kunde eintraf, dass auch das Herz des kleinen Johannes leck gesprungen war, und der sein eigenes Lebensschiff nun in den Hafen der Liebe steuern wollte. Hannes war Leichtmatrose auf der "Axel" und der Sohn von Jan Hubert. Für solch eine Fahrt schien aber Hannes seinem besorgten Vater noch nicht erfahren genug, und zum Abwracken war er ihm zu schade. Vater Jahn wird damals recht bekümmert gewesen sein... Seine väterlichen Anweisungen an Kapitän Peters (Kapitän Lünstedt war inzwischen in Macao gestorben), wenn nötig die Hilfe des deutschen Konsuls in Anspruch zu nehmen, (Hannes war ja erst 17 Jahre alt und alles andere als mündig) brauchten nicht verwirklicht werden. Johannes kam mit eigener Kraft wieder flott und segelte vor vollem Wind nach Hause, wo er wie ein verlorener Sohn empfangen wurde. Seine dunkle Schöne wird ihn bald vergessen haben, aber für Johannes blieb dieses Macao für sein ganzes Leben mit dem romantischen Zauber der Südsee und mit jugendlicher Schwärmerei verbunden, deren Erinnerungen ihn auf den vielen Fahrten begleiteten. Er soll aber nie mehr mit leckgesprungenem Herzen in fremden Häfen vor Anker gegangen sein." - Soweit die Familienchronik...

Als Leichtmatrose Richtung Heimat

Mit einem kleinen Passagierdampfer fuhren wir nach Pernambuco und dort wurde ich als Leichtmatrose mit 35 Mark Heuer auf der "Wilhelmina", ein Schwesterschiff der "Axel" angemustert. Nun konnte die Arbeit wieder losgehen und bei 40° Hitze mussten Stückgüter gelöscht und Sandballast geladen werden. In Pernambuco herrschte außerdem noch die Pest, aber wir blieben davon verschont. Auf vielen anderen Schiffen war die gesamte Besatzung dieser furchtbaren Epidemie zum Opfer gefallen. Wir aber fuhren nach Mosseiro weiter, 1200 Seemeilen von Pernambuco entfernt. Man musste, um den Hafen zu erreichen, noch viele Kilometer einen Fluss befahren und waren bald vom Urwald umgeben. Da aber auch noch eine Flaute eintrat, mussten wir unser Schiff festmachen und zwar wurde es an einem Urwaldbaum vertäut. Nun hieß es, auf die nötige Brise zu warten, und es dauerte zehn Tage bis wir endlich den Ladeplatz erreichten. Kamen wir mal wieder wegen zu großer Flaute nicht weiter, kletterten wir von Bord und schlugen uns im Urwald das nötige Holz, um unseren Ofen in der Kombüse in Gang zu halten. Viele Schlangen gab es da, Kobras usw., mit denen man natürlich nicht gerne in Berührung kommen wollte, denn früher hatte man noch nicht das Gegengift, das uns bei einem eventuellen Biss hätte retten können.

Eines morgens, wir hatten gerade unsere Segel zum Trocknen aufgehängt, wäre es beinah passiert, dass so eine Natter ihr Opfer gefunden hätte und das wäre ich gewesen. Vorne auf dem Klüverbaum lag das Klüversegel und ich sollte es wieder festmachen. Als ich es auseinanderschlug, kam doch eine große Kobra direkt vor mir hoch. Ich konnte nicht zurückweichen, denn die Schlange versperrte mir den Weg. Ich schrie laut um Hilfe und der Lotse, der gerade an Bord war, hörte meinen Schrei und ahnte nichts Gutes. Er kam gleich mit einer Handspake angerannt, schlug auf die Schlange ein und traf sie zum Glück, so dass sie über Bord fiel und so war mein Leben gerettet. Dieses unheimliche Reptil war sicherlich nachts über das Festmachertau an Bord gekommen.

Im Hafen luden wir Salz. Es wurde von Eingeborenen auf ihren Köpfen in Körben an Bord getragen. Die Moskitoplage war kaum auszuhalten. Wir waren selbst nur noch ein einziger Mückenstich. Unsere Salzladung war für Brasilien bestimmt. Dort wurden mit dem Salz Ochsenfleisch und Felle eingepökelt.

Am 26. März 1896 wurden die Trossen losgemacht und flussabwärts machten wir uns auf den Weg nach Rio Grande del Sul und Porte Allegro. Auf dem Fluss fuhren wir mit Wassersegeln. Das sind Segel, die unter Wasser gesetzt werden. Der Strom läuft dann dagegen an und treibt das Schiff vorwärts. Gerade noch vor Dunkelheit erreichten wir die freie See, ein Glück, denn sonst hätten wir noch eine Nacht den Kampf mit den Moskitos aufnehmen müssen. In den dunklen Nächten war es so finster, dass man nicht einmal das Ufer erkennen konnte. 3600 Meilen dauerte die Fahrt, bis wir in Rio Grande ankamen. Auf See blieb es bei dem ewigen Einerlei, Wache schieben, und was es sonst so am Tage an Bord zu tun gab.

Das Wetter war einigermaßen gut, da konnten wir uns dieses Mal nicht beklagen. Im Hafen war es mit dem Zoll genau so, wie es heute noch ist, jeder Winkel an Bord wurde untersucht. Das Löschen der Ladung dauerte neun Tage, es waren nur 150 Tonnen, aber wir mussten ja alles alleine bewältigen, dabei die mörderische Hitze und kein Sonnensegel.

Am 21. Mai fuhren wir weiter nach Porto Allegro. Dort war das Wetter schlecht, es wehte ein Sturm von Windstärke 11, aber wir kamen doch glücklich an. Wir hatten nur ein paar kleine Beschädigungen an Bord. Die Stadt war sehr schön, meist von Deutschen aufgebaut und um 1896 zirka 20.000 Einwohner stark. Es war dort immer eine große Begebenheit, wenn ein deutsches Schiff einlief, und der Besuch von Deutschen nahm dann auch kein Ende. Jeder wollte von der alten Heimat etwas hören und man war jeden Tag bei einer anderen deutschstämmigen Familie eingeladen, die einen auch sehr verwöhnte. Diese Zeit ging uns natürlich viel zu schnell vorüber und der Abschied von unseren Landsleuten fiel uns meistens schwer.

Unsere Ladung bestand nun aus Fleisch und die Reise ging nach Rio de Janeiro. Über diese Stadt will ich nichts weiter berichten, man hat schon so viel darüber geschrieben, dass sich jeder eine Vorstellung machen kann. Für uns gab es in Rio sowieso nur viel Arbeit und die Salzladung machte uns so viel zu schaffen, so dass der Zuckerhut uns auch nicht trösten konnte. Unser Schiff segelte anschließend nach Buenos Aires. Hier gab es wieder Salz, denn wir sollten Felle laden. Es ging dann etwa 70 Seemeilen den Rio Plata flussaufwärts nach Freibentos. Es war ein kleines Nest, wo nur Liebig's Fleischextrakt hergestellt wurde. Wir luden dort Hörner und Hornspitzen als Unterlagen für die Häute. Damit die Häute nicht mit Holz und Eisen in Berührung kamen, wurden die Hörner hochkant aufgestellt, dicht an dicht. Die Fleischextraktfabrik war ein Großbetrieb. Es wurden im Jahr 180.000 Büffel geschlachtet und verarbeitet. Fleisch gab es in rauhen Mengen, und wir haben auch feste reingehauen.

Nachdem wir unsere Hörner endlich verladen hatten, hieß es weitersegeln, und zwar einen Fluss hinauf, Paraguay hieß er, ein Nebenfluss des La Plata. Das Segeln macht auf Flüssen einige Schwierigkeiten, denn wenn Flaute war, musste man sofort ankern. Acht Tage brauchten wir, um in Paysandu anzukommen. Dort wurden die Häute verladen, wieder so ein Kapitel für sich. Es ist wohl das schlimmste an Arbeit, was einem begegnen kann. Die Häute wurden im Raum verstaut und dann mit Pökel übergossen. Unser Arbeitszeug war nach einer solchen Beladung vollkommen unbrauchbar geworden und Hände und Füße von der Salzlake aufgerissen. Nach getaner Arbeit sprang man erst einmal über Bord, um das quälende Brennen an Händen und Füßen loszuwerden, aber eine reine Freude war das auch nicht, denn im Wasser konnte man Überraschungen erleben. Ich machte eines Tages die unliebsame Bekanntschaft mit einer "Seeschlange". Wir nannten die Dinger so, es sind wohl die Zitteraale gewesen, bei deren Berührung man einen ziemlichen elektrischen Schlag bekommt. Ich spürte die Berührung noch tagelang hinterher, musste auch einige Tage das Bett hüten, weil ich Fieber von der Berührung bekommen hatte.

In der Nähe von Paysandu war eine deutsch-schweizerische Ansiedlung, wo ungefähr 200 Menschen lebten, die Ziegenzucht betrieben. Es gab dort wohl einige Tausende von Ziegen. Fruchtbares Weideland verschaffte ihnen so einigen Wohlstand. Wir wurden oft von den Siedlern eingeladen. Sie holten uns am Schiff mit ungesattelten Pferden ab. Es hieß draufsteigen und los ging es im Galopp. So habe ich dann auch reiten gelernt. Ziegenmilch konnten wir trinken, soviel wir wollten. In Schläuchen gaben sie uns noch Milch mit an Bord. Drei Wochen lagen wir da und es war eine schöne Zeit, bis es eines Tages plötzlich so unsichtig wurde, es sah aus, als wälzten sich dicke Wolkenberge heran. Uns war ganz komisch zumute und wir konnten es uns nicht erklären, bis dann in der sich verdunkelnden Sonne klar wurde, dass ein Heuschreckenschwarm von erschreckendem Ausmaß über unser Schiff hinweg auf die Siedlung zukam. Jedes Insekt war etwa 5 Zentimeter lang. Es regnete förmlich in Strömen Heuschrecken. Alles, aber auch alles, was gewachsen war, wurde in ganz kurzer Frist von den Tieren aufgefressen, kein Halm blieb stehen. Die ganze Siedlung war damit vernichtet, denn es gab kein Futter mehr für die vielen Ziegen. Bei uns an Deck lagen die Insekten 10 Zentimeter hoch. Die Siedler hatten im Nu alles verloren, was sie sich in jahrelanger Arbeit aufgebaut hatten. Sie mussten alles verlassen und weiterziehen. Uns fiel der Abschied von den lieben Menschen sehr schwer, aber helfen konnten wir ja auch nicht. 20 Ziegen brachten die Siedler uns noch an Bord, damit wir auf der Reise Frischfleisch hatten. Wenn wir dann irgendwo flussabwärts eine fruchtbare Gegend passierten, kletterten wir an Land, um uns Futter für unsere Milchspender zu besorgen.

In Buenos Aires besorgte unser Kapitän erst einmal Frischproviant, denn nun sollte die Heimreise angetreten werden mit dem ersten Anlaufhafen Antwerpen. Am 12. Oktober segelten wir über den Ozean der Heimat zu. Über zwei Jahre war ich nun schon unterwegs und aus dem kleinen Schiffsjungen war inzwischen ein kräftiger Kerl geworden. Die Reise lief auch gut an, mit der Verpflegung waren wir die drei ersten Wochen auch zufrieden, denn der frische Proviant schmeckte natürlich gut. Leider hielt er nicht länger vor, denn Kühlschränke gab es ja noch nicht und nach drei Wochen mussten wir dann doch wieder nach altem Rezept den eisernen Bestand verbrauchen. Dann sah unser Menü so aus:

montags Erbsen mit Salzfleisch
dienstags Salzfleisch mit Bohnen
mittwochs Salzfleisch mit Erbsen
donnerstags Konservenfleisch (genannt "tote Franzosen")
freitags Salzspeck mit Bohnen
sonnabends Pflaumensuppe mit Stockfisch
sonntags "Tote Franzosen" mit getrockneten Kartoffeln.

Der Stockfisch vom Freitag musste am Tag vorher erst mit einem Holzhammer bearbeitet werden, damit er einigermaßen weich wurde. Das Brot war von der langen Reise inzwischen Hartbrot geworden und wenn man es morgens essen wollte, musste man es erst ausklopfen, damit die unzähligen Kakerlaken herausfielen.

Am 23. November 1896 sahen wir dann zum ersten Mal wieder Land und bald waren wir im englischen Kanal. Durch die Nordsee hatten wir guten Wind, am 2. Dezember erreichten wir Vlissingen und am 3. Dezember Antwerpen. Auf den frischen Proviant freuten wir uns im Augenblick am meisten. Wir fielen darüber her wie die Wölfe und konnten nicht genug davon bekommen. Am nächsten Tag, d.h. abends, ging es an Land. Wir hatten alle Vorschuss bekommen und hatten somit Geld in der Tasche. Das erste Ziel war das "Siebenmädelhaus", das einige der älteren Besatzungsmitgliedern schon kannten. Es war eine kleine Wirtschaft und der Wirt hatte sieben Töchter, eine schöner als die andere. Da wurde dann gezecht, getanzt und gesungen und wir Seeleute waren natürlich ausgelassen wie noch nie, denn wir hatten endlich wieder Land unter den Füßen. Um Mitternacht war für uns viel zu früh Feierabend, und wir konnten am nächsten Tag die Zeit nicht abzuwarten, bis wir unsere Heuer wieder ins "Siebenmädelhaus" tragen konnten. Man muss die Freizeit im Hafen ja auch ausnutzen, das ist nun mal Seemannsbrauch.
Für meine weitere Zukunft hatte ich mir schon einen schönen Plan zurechtgelegt. Ich wollte nämlich als Matrose auf einem englischen Vollschiff anmustern, hauptsächlich, um dort die englische Sprache richtig zu erlernen. Als ich aber meinen Kapitän von diesem Plan unterrichtete, war er empört und wollte erst einmal mit meinem Vater darüber sprechen. Telefon gab es noch nicht, also musste erst einmal hin und her geschrieben werden. Mein Vater verlangte, ich solle erst einmal nach Hause kommen. Meine Enttäuschung war groß, aber das Machtwort des Vaters musste respektiert werden. Da aber das Schiff nicht nach Hamburg fuhr, wurde der Sohn per Bahn nach Hause verfrachtet.

Wieder daheim

Die Freude, alle meine Angehörigen nach so langer Zeit wieder zu sehen, war dann aber auch groß, denn ich war immerhin 30 Monate nicht mehr zu Hause gewesen. Die erste Nacht konnte ich nicht einschlafen und ich sagte meiner Mutter, sie müsse erst einmal ein paar Eimer Wasser gegen das Fenster schütten, damit ich das Gefühl hätte, noch auf dem Schiff zu sein.

Die ganze Familie freute sich, dass ich zum Weihnachtsfest zu Hause sein konnte und ich fand es auch schön. In Cranz war großer Silvesterball, den ich natürlich nicht versäumen durfte. All die kleinen Mädels, die ich noch von der Schulbank her kannte, freuten sich, dass sie mit dem weitgereisten Hannes tanzen konnten. Sie wunderten sich, dass ich tanzen konnte und wollten unbedingt wissen, wo ich es gelernt habe.

So verging die Zeit bei Muttern ganz zufriedenstellend, aber es zog mich wieder in die weite Welt. Ich suchte mir ein Schiff, wo ich als Matrose anmustern konnte, schon wegen der Heuer, da gab es nämlich den enormen Verdienst von 45 Mark monatlich. Aber ich hatte kein Glück, denn es brach ein Streik aus und so musste ich notgedrungen noch zu Hause bleiben, denn als Streikbrecher wollte ich auch nicht gerne fahren.
Es war damals ein ganz besonders strenger Winter. Este und Elbe waren zugefroren, und man konnte ganz bis nach Blankenese rüberlaufen. Um sich die Zeit zu vertreiben, legten wir wieder wie früher Quabbenangeln aus, denn ganz ohne Beschäftigung konnte man doch nicht sein. Als aber Ende Februar der Streik zu Ende war, ging ich sofort zu unserem Heuerbaas und musterte am 1. März 1897 auf der "THEKLA", dem größten Segelschiff, das wir in Deutschland hatten an. Die Reise ging zur Westküste Südamerikas, um Kap Horn herum.


Auf See zu neuen Ufern

Die "THEKLA" war ein Vollschiff, d.h. ein Schiff mit drei vollgetakelten Masten, die 60 Meter hoch waren. Sie konnte 4000 Tonnen laden und hatte 42 Mann Besatzung. Am 4. März ging die Reise los, zwei Schlepper zogen die Thekla elbabwärts. Wir machten gute Fahrt durch die Nordsee und passierten am 6. März Dover. Bei der Insel Wright drehte der Wind, wir mussten drei Tage auf der Stelle kreuzen und kamen nicht weiter. In Cardiff wurden wir am 16. März von zwei Schleppern an unseren Liegeplatz gebracht. Wie immer folgte die übliche Zollrevision, aber es wurde selbst nach vierstündigem Suchen nichts gefunden und das Schiff wurde freigegeben.

Zwölf Tage dauerte es, bis wir unsere Ladung gepresster Kohle an Bord hatten, dann reisten wir weiter durch den Bristolkanal in den Atlantik. Bei gutem Wetter machten wir eine prima Fahrt, zeitweise 17 Knoten, also mehr, als unsere größten Passagierdampfer leisten konnten. Zur Ruhe kamen wir nicht viel, und unsere Arbeitszeit dauerte 14 bis 16 Stunden am Tag. Heute würden sich die Leute schönstens bedanken, wenn man ihnen solche Arbeitszeiten zumuten würde, dabei wurden Überstunden nicht etwa besonders vergütet. Als wir in der Nähe des Äquators waren, bemerkte der Kapitän, dass das Schiff ziemlich steif war, d.h. wir hatten zu viel Ladung im Unterraum. 200 Tonnen Kohlen mussten wir nun aus dem Unterraum ins Zwischendeck bringen, um so Abhilfe zu schaffen. Die Arbeit nahm sechs Tage in Anspruch und bei der Äquatorhitze war es eine verteufelt anstrengende Arbeit. Durch den Teergehalt in der Presskohle, brannte uns die Haut bald am ganzen Körper und es gab dabei viele wunde Stellen.

Am 1. Juli 1897 begannen furchtbare Stürme, sie machten uns viel zu schaffen und Schlaf bekam man kaum noch, denn wenn auch Wachablösung war, die Freiwache musste immer zupacken, wenn die Segel festgemacht werden mussten. Kap Horn ist eben Kap Horn. Wenn man bei so stürmischen Wetter aus seiner Koje kam und an Deck ging, kam es nicht selten vor, dass man gerade in einen Brecher lief und buchstäblich schwimmen musste, obgleich man noch nicht über Bord gegangen war. Die Seen waren oft unvorstellbar hoch. Wir haben, um ungefähr 2.400 Seemeilen zurückzulegen, vom l. Juni bis 15. Juli gebraucht, das sind 45 Tage. Um Kap Horn herum zu fahren, war damals eine gefährliche Sache, der Seegang dort ist nicht zu beschreiben, aber man singt ja heute noch manches Lied, das von Kap Horn handelt.

Zu allem Unglück wurde auf dieser Reise auch noch der Koch krank. Er konnte seinen Dienst nicht mehr versehen und ausgerechnet ich musste nun sein Amt übernehmen, dabei verstand ich genau nichts von der Kocherei. Nach dem schon früher beschriebenen Wochenplan musste ich nun mein Heil versuchen, die täglichen Mahlzeiten durften ja nicht ausfallen. Also erst mal Erbsensuppe mit Salzspeck. Das war schon ein Kapitel für sich, denn so lange ich die Erbsen auch auf dem Feuer hatte, sie wurden einfach nicht weich. Irgendwo musste ich aber mal aufgeschnappt haben, dass man mit Natron die Hülsenfrüchte weich bekommt, aber wo sollte ich an Bord Natron herholen? - Ich dachte schon mit Schrecken an all die Lästermäuler, wenn die harten Erbsen aufgetischt würden und überlegte hin und her, wie ich mich da aus der Schlinge befreien könnte. Schließlich dachte ich bei mir, dass Soda doch eigentlich auch gehen müsste. Ich organisierte mir gleich ein ganzes Pfund, und das wanderte dann in meinen Kochtopf. Nach ganz kurzer Zeit wurden die Erbsen auch butterweich, und die Mahlzeit schmeckte vorzüglich und wurde auch restlos vertilgt. Aber am Abend dann, oha – oha... Die Lauferei nahm kein Ende, ich habe mich vorsichtshalber gar nicht sehen lassen, denn die ganze Wut galt mir, dem Vizekoch, aber ich konnte doch diese durchschlagende Wirkung nun wirklich nicht voraussehen. Jedenfalls konnte sich niemand über schlechte Verdauung beklagen.

Im Laufe der Zeit lernte ich dieses Küchenhandwerk einigermaßen, war aber heilfroh, als nach einigen Wochen der Koch sein Amt wieder übernehmen konnte. Ich war glücklich, endlich wieder Seemann sein zu können, und die Besatzung war ebenso froh, nicht mehr Opfer meiner Kochkunst sein zu müssen.

Am 1. Juli hatten wir die Sturmgrenze überschritten und nach langer Zeit mal wieder Gelegenheit, uns etwas zu pflegen, d.h. uns mal gründlich zu waschen. Inzwischen hatte unser Körper schon eine richtige Salzschicht bekommen, denn wenn es nicht gerade einmal regnete, war keine Möglichkeit vorhanden, sich mit frischem Wasser zu waschen, und das Seewasser ist auf lange Sicht scheußlich. Das Trink- und Kochwasser durfte zum Waschen nicht genommen werden.

Im August 1897 kamen wir in Iquique an, einer kleinen Stadt mit zirka 10.000 Einwohnern, ein furchtbar eintöniges Nest, wo kein Baum und kein Strauch wuchs. Trinkwasser musste aus Valparaiso geholt werden, denn in Iquique regnete es das ganze Jahr nicht. Wasser war daher eine Kostbarkeit, und man musste sehr sparsam damit umgehen. Im Hintergrund von Iquique war viel Gebirge und dort wurde Salpeter gewonnen. So luden auch alle Segler, die diesen Hafen anliefen, Salpeter. Unsere Kohlenladung wurde von der eigenen Besatzung in Prähme verladen, eine schwere Arbeit, denn fast immer waren 40 Grad Hitze. Abends war man dann pechschwarz vom Kohlenstaub. Zum Waschen bekamen wir dann nur drei Eimer Wasser für 36 Mann. Wer zuerst kam, hatte natürlich Glück, bei dem letzten lief das Wasser kaum noch durch die Finger, so dick war es von dem Dreck geworden.

Manchmal hatte man auch Glück an Bord. So wurde ich mal vom Kapitän ausgesucht, als sein Gigmann zu fahren. Die Gig war das Boot, mit dem der Kapitän immer an Land fuhr, wenn wir auf Reede lagen. Wenn man so ein Pöstchen erwischt hatte, brauchte man nur auf das Boot aufpassen, es natürlich sauber halten, und immer bereit sein. Jeder Kapitän wollte selbstverständlich den anderen ausstechen und mit seinem Boot angeben. Ich musste immer fein in Schale sein. Die Sachen lieferte der Käptn, blaue Hose, weißes Hemd und weiße Mütze. Der Kapitän hatte auch eine Schappkiste an Bord, das war eine Kiste, deren Inhalt aus lauter Dingen bestand, welche die Seeleute gebrauchen konnten und die der Kapitän ihnen verkaufte. Sicher hat er daran manche Mark extra verdient. Man konnte so allerlei einkaufen, nur Alkohol durfte er nicht ausgeben, das war zu gefährlich. Aber den besorgten wir uns heimlich an Land. Offiziell war es natürlich streng verboten, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, da kannten wir uns aus. Wir besorgten uns beim Schiffshändler einen Schlauch, den ließen wir mit Alkohol füllen, banden ihn uns um den Bauch und warteten, bis der Kapitän außer Sicht war, dann ließen wir den Schlauch an einer Leine über Bord gehen und holten uns den Segen, wenn die Luft wieder rein war, aufs Schiff zurück. Als wir am 1. August seeklar waren, wurde uns von den Amerikanern, Engländern, Norwegern, Schweden, Dänen, Italienern und Franzosen, die damals die besten Segelschiffe hatten, drei shares gegeben, d.h. drei Hurras für die "Thekla". Die ganzen Mannschaften mussten dann antreten und mit Hallo wurde eine gute Reise gewünscht. Das war immer recht feierlich, heute macht man das nicht mehr. Morgens bei Tagesanbruch wurden die Trossen gelöst und die Anker gelichtet. Mit Schlepperhilfe ging es dann aus dem Hafen. Nochmals drei Shares von jedem Schiff, das wir passierten und dann waren wir auch bald im freien Wasser. Alle Segel wurden gesetzt und bei schönem Wetter und frischer Brise segelten wir südwärts Kurs Kap Horn. Im September passierten wir wieder Kap Horn, das Wetter war stürmisch, bei Orkan aus Südwest, doch der Wind kam von achtern, da machten wir trotzdem noch gute Fahrt. Die Seen brachen mittschiffs über Deck, das Deck wurde überhaupt nicht mehr trocken. Heilfroh waren wir alle, als wir dann Kap Horn hinter uns hatten, es ist doch eine verteufelte Ecke.

Ende September wurde das Wetter dann viel ruhiger und es wurde auch bedeutend wärmer. Sogar der ersehnte Regen kam, wir konnten die Regensegel aufspannen und so das kostbare Nass auffangen. Wir sehnten uns auch danach, uns mal mit Regenwasser waschen zu können.

Im Oktober war dann wieder der Äquator fällig, aber wir hatten keine Brise und kamen nur langsam vorwärts. Die Hitze machte uns auch wieder Kummer und weit und breit keine Regenwolke zu sehen. Endlich nach zehn Tagen bekamen wir wieder Wind und so konnte die Fahrt weitergehen. Langsam musste man nun daran denken, das Schiff sauber zu machen, denn die Heimat muss man im besten Kleid begrüßen. Das ganze Deck musste mit Sand und Steinen geschrubbt werden und man lag dabei den ganzen Tag auf den Knien. Es musste aber auch alles blitzen und blinken, ehe aufgehört wurde, nirgends durfte ein Rostflecken zu sehen sein, denn jeder Kapitän will ja möglichst das sauberste Schiff haben, wenn er im Heimathafen ankommt.

Nach einer schönen Reise über den Atlantik kamen wir am 1.12.1897 morgens in Falmouth an und bekamen dort Order, nach Nordenham zu fahren. In Falmouth wurde aber erst mal frischer Proviant eingekauft, es war auch die höchste Zeit, denn fast die ganze Besatzung hatte Skorbut bekommen. Es fehlten eben die Vitamine.

Im englischen Kanal hatten wir westliche Winde und passierten bald Dover. In der Nordsee hatte dann Neptun noch mal feste aufgeblasen und wir mussten vor der Weser beidrehen, es herrschte eine bittere Kälte, alle Segel waren steif gefroren und wir brauchten sechs Stunden, um die Obermarssegel festzumachen. Es war eine schwere Arbeit, aber das kann nur der verstehen, der es selbst einmal machen musste.

Am nächsten Tag flaute es etwas ab, es kamen zwei große Schlepper (Wotan und Goliath), die uns in Schlepp nahmen. Wir alle waren überglücklich, endlich einmal wieder Heimatluft zu atmen und am 7. Dezember 1897 nachmittags um 5 Uhr machten wir unser Schiff am Pier in Nordenham fest.

Endlich war Feierabend. Abends, wie sollte es wohl anders sein, wurde sich landfein gemacht und dann nichts wie los. Die zwei Wachleute, die an Bord bleiben mussten, taten uns wohl leid, aber wer hat, der hat. Zu lange waren wir fern der Heimat, nun wollten wir erst mal wieder etwas erleben. Die Wirte waren damals auch schon auf Draht, sie wussten, dass die Seeleute nach einer langen Reise nicht geizig waren. So hatte auch der Wirt in Nordenham in weiser Voraussicht eine Musikkapelle bestellt und alle Mädchen von Nordenham eingeladen. Sie kamen aus Nordenham und Umgebung, und so wurde dann fleißig das Tanzbein geschwungen und manches Glas getrunken.

Am 9. bekam ich meine Heuer ausbezahlt und fühlte mich als Krösus denn für neun Monate bekam ich 405 Mark. Vormittags musterte ich dann auf dem Seemannsamt ab, dann wurde die Seekiste gepackt und ab ging es zu Muttern. Große Freude natürlich zu Hause: Der Hannes ist wieder im Land. Ich war eben in Cranz und besonders bei den kleinen Mädchen sehr beliebt. Der Silvesterball in Cranz wurde nicht ausgelassen, bis morgens gefeiert, schnell eine Mütze voll Schlaf und Neujahr weitergemacht. Geld hatte ich ja nun und früher war die Mark auch mehr wert als heute, wenn auch nicht so viel verdient wurde.

Asien

Bis zum 15. Januar 1898 blieb ich zu Hause und musterte dann als Matrose auf der "GERDA" an. Diese Reise sollte mich nach China führen, d.h. China, Japan, Indien und zurück. Am 17. musste ich an Bord sein. Der Dampfer war 3.000 Tonnen groß, für Fracht und Passagiere eingerichtet, konnte 60 Passagiere erster Klasse mitnehmen, außerdem in den Zwischendecks noch 300 Personen. Diese Klasse war hauptsächlich für Kulis gedacht, die von Singapore nach Hongkong, Schanghai und zurück wollten.

Die Besatzung bestand aus 42 Mann, darunter 20 Chinesen, die als Heizer und Trimmer verwendet wurden und noch ihre Zöpfe trugen. In Hamburg wurden für die Reise Stückgüter geladen. Am 20. verließen wir ungern den Heimathafen. Das Wetter war gut, aber die Elbe hatte viel Eis. Im Kanal wehte frischer Ostwind und so kamen wir gut vorwärts. Am 24. mittags kamen wir in Le Havre an, dort wurde der Rest der Ladung übernommen und am 27. fuhren wir weiter.

Am 3. Februar passierten wir Gibraltar und weiter ging es durch das Mittelmeer nach Port Said, wo wir am 12. ankamen. Hier wurden dann erst mal die Bunker wieder aufgefüllt, denn wir mussten ja Brennstoff für die weite Fahrt über den Indischen Ozean nach Indien haben. Die Fahrt durch den Suezkanal dauerte ungefähr 16 Stunden und wenn andere Schiffe entgegenkamen, musste man erst noch - z.B. am Bittersee - warten, bis die entgegenkommenden Schiffe das Fahrwasser passiert hatten. Im Roten Meer gab es dann zur Abwechslung mal wieder einen Sturm von Windstärke 12. Der Sturm kam von der Sahara und unser Schiff war in kurzer Zeit von dem Wüstensand bedeckt. Wir hatten dort so um 50 Grad Hitze und dabei mussten wir noch die Kohlen laden und die Kohlen, die z.T. noch an Deck untergebracht waren, in die Bunker schaufeln. Dass wir dabei gefroren haben, kann man nicht behaupten. Am nächsten Tag flaute der Sturm aber ab und am 24. passierten wir Aden. Mit voller Fahrt ging es durch den indischen Ozean und am 4. März kamen wir an Ceylon vorbei. Unseren ersten Hafen Penang liefen wir am 12. März an, wo dann ein Teil unserer Ladung gelöscht wurde. Singapore erreichten wir am 14. und auch dort wurde etwas Ladung zurückgelassen. Dann wurden die Zwischendecks zur Übernahme von etwa 400 Kulis in Ordnung gebracht. Viel Umstände wurden da aber nicht gemacht. Sie mussten sich selber ein Lager suchen und auch um die Verpflegung mussten sie sich selber kümmern. Sie aßen aber auch nur ihren Reis.

Die Fahrt nach Hongkong wurde am 18. März fortgesetzt. Abends wurden die Luken zum Zwischendeck abgeschlossen, damit die Kulis keine Überfälle auf die Besatzung machen konnten und wir wurden mit Gewehren ausgestattet. Die Dampfschläuche wurden an Deck angebracht und wenn sich nun Zwischenfälle ereignet hätten, wären wir auf alles vorbereitet gewesen. In der damaligen Zeit kam es nämlich häufig vor, dass sich Seeräuber unter die Kulis mischten, die dann im geeigneten Moment die Besatzung überfielen und das Schiff kaperten. Wir hatten Angst genug, dass uns so etwas auch einmal passieren könnte und standen deshalb klar zum Gefecht. Morgens wurden die Luken wieder aufgemacht und erst mal nachgesehen, ob nicht während der Nacht Kulis gestorben waren. Das kam häufig vor. Wir fanden auch zwei Tote, aber von deren Sachen war nicht ein Stück mehr da, natürlich wusste niemand, wo die Sachen geblieben waren. Am nächsten Morgen gab es wieder Tote. Sie wurden dann in Segeltuch eingenäht und ins Meer versenkt. Wir kamen dann aber - Gott sei Dank - ohne weitere Zwischenfälle in Hongkong an, dort kümmerte sich die Polizei darum, dass die Kulis von Bord kamen. Diese Kulis waren Arbeiter, die sich für zwei Jahre nach Singapore verdungen hatten und nun in ihre Heimat zurück fuhren. Die Zwischendecks nachher sauber zu machen, war einfach ekelhaft, so viel Schmutz auf einmal gab es sonst nicht. Es ist einfach nicht zu beschreiben.

Shanghai liefen wir am 1. April an, eine richtige Chinesenstadt, sehr schmutzig, die Menschen zerlumpt gekleidet, für uns ein ungewohntes Bild. Wir blieben nicht lange, denn am 3. April ging es weiter nach Kobe (Japan) und dort kamen wir am 8.4. an und die Beladung unseres Schiffes konnte sofort beginnen. Dieses Mal nahmen wir Reis über. Kobe ist eine schöne saubere Stadt, ganz das Gegenteil von Shanghai, aber leider blieben wir hier nur zwei Tage, zu wenig Zeit, um viel zu sehen, aber auch damals hieß es schon "Zeit ist Geld".

Nach einer Tagesreise landeten wir in Hiogo, dort war es aber auch nett und besonders die hübschen Geishas hatten es uns angetan. Wirklich süß sind die. Aber wir mussten leider weiter, dieses Mal nach Jokohama. Diese Stadt ist wohl die schönste Japans und wir deutschen Seeleute waren dort auch sehr willkommen. Kaum hatte das Schiff festgemacht, als auch schon die fliegenden Händler an Bord kamen. Sie packten gleich ihre Ware aus und fingen einen schwunghaften Handel an. Das ganze Deck sah wie ein Laden aus, man konnte rein alles bekommen: Teeservice, Vasen, Figuren etc... Wir wurden von unseren älteren Kollegen, die schon öfter hier waren, erst mal aufgeklärt, wie so ein Kauf zu handhaben sei und dann ging der Handel los. Am ersten Tag muss man noch nicht kaufen, nur handeln. Erst kurz vor der Ausfahrt, wenn die Händler Angst bekommen, nichts mehr los zu werden, kann man kaufen, denn dann zahlt man höchstens noch den vierten Teil dessen, was sie am ersten Tag forderten. Ich kaufte mir ein Teeservice, ganz dünnes Porzellan, es sollte erst nach unseren Geld Hundert Mark kosten, aber ich bekam es für 9.50 Mark: 12 Tassen und Teller, Kannen, Milchkannen und verschiedene kleine Schalen. Das Service ist heute noch da und z.Z. liebäugelt mein Sohn damit, aber... Außerdem erstand ich noch zwei große Vasen, die sollten erst 80 Mark kosten, aber ich zahlte dann 5 Mark dafür. Eine der Vasen existiert noch, die hat mein Sohn bekommen. Dass die Händler schrecklich lamentierten und behaupteten, die Käufer ruinierten sie, gehört zum Geschäft, sie verdienen sicher noch genug an der Ware.

Unser Schiff war inzwischen voll beladen, bis auf einen Raum, der für Bunkerkohle frei bleiben musste. Am 15.April morgens dampften wir weiter nach Moji. Die Fahrt dauerte nur vier Stunden, dort nahmen wir die Kohlen über, die wir für die Reederei nach Shanghai bringen mussten. Wir lichteten am 17. April die Anker, um Kurs auf die Heimat zu nehmen. In Singapore konnten wir noch einmal an Land gehen, und natürlich, wie sollte es auch anders sein, wurde dort noch einmal groß eingekauft. Der Kapitän hatte sich auf Schleierschwänze spezialisiert. Da musste auf Deck erst mal ein Aquarium gebaut werden und dann kamen etwa 4.000 Schleierschwänze und 500 Teleskopfische hinein. Die Fische waren sehr wertvoll und in Hamburg ein begehrter Artikel, der einen großen Nebenverdienst versprach. Jeder an Bord kauft nun irgendein Viehzeug: Affen, Schlangen, kleine Wildtiere wie Leoparden etc. Das ganze Zwischendeck sah aus wie ein Zoo. Wir hatten unterwegs unseren Spaß an all den Tieren. Der Zimmermann fuhr diese Strecke schon seit zehn Jahren und er gab uns die besten Ratschläge, besonders welche Tiere sich zum Verkauf in Hamburg am besten eigneten. So musste eine Schlange wenigstens zehn Fuß lang sein, sonst hatte sie keinen Wert für die Käufer und man konnte sie dann nicht los werden.

Die Hitze im Hafen war sehr groß und wir waren heilfroh, als wir endlich in See stechen konnten. Am 16. Mai waren wir in Suez, es folgte die übliche Fahrt durch den Kanal nach Port Said. Weitere Stationen der Fahrt waren am 24. Mai Gibraltar, am 2. Juni Ouessant und am 3. Juni kamen wir in Le Havre an, wo wir die für Le Havre bestimmte Ladung löschten.
Hatten die Tierhändler erfahren, dass ein Schiff aus Singapore im Hafen lag, waren sie nicht mehr zu halten, sie stürmten das Schiff und wollten alles aufkaufen, was wir von dort mitgebracht hatten. Selbst Hamburger Händler waren dem Schiff entgegengefahren, um nur die ersten zu sein. Wir waren aber ja auch nicht von gestern, wir wussten genau, dass Hagenbeck besser bezahlte und so hielten wir unsere Schätze zurück. Vor dem Aquarium hatte der Kapitän sogar eine Wache aufgestellt, denn die Händler wären in ihrer Wut fähig gewesen, das Wasser zu vergiften, denn sie ärgerten sich sehr, dass sie uns nicht übers Ohr hauen konnten. Wachmann für die Fische war ich dieses Mal und bekam vom Kapitän 10 Mark dafür. Das war damals ein Batzen Geld und ich freute mich sehr darüber.

Am 6. Juni fuhren wir durch den englischen Kanal und durch die Nordsee der Heimat entgegen. Im Hamburger Hafen machten wir am 9. Juni die Leinen fest, die Heimat hatte uns wieder. Vier Monate und 24 Tage hatte die Reise gedauert. Ich hatte viel von der Welt gesehen, aber auch viel arbeiten müssen, denn vor 60 Jahren wurde es uns nicht so leicht gemacht wie heute. Die seefahrende Jugend glaubt es nur nicht und ist überzeugt, dass sie heute mehr leisten muss. Unsere ersten Besucher an Bord waren natürlich die Händler. Ich verkaufte meine Schlange für 80 Mark und meinen Affen für 40 Mark. An den beiden Tieren hatte ich 110 Mark verdient, das war vielleicht ein Geschäft!

Nun musterte ich wieder ab und mein nächster Weg führte mich wie immer nach Cranz. Schönes Geld hatte ich verdient und das Goldgeld sah auch viel wertvoller aus, man konnte so schön damit klimpern. Ich hatte zwar an Heuer nur 264 Mark verdient, fühlte mich aber reich. Mein Vater holte mich am Cranzer Dampfer ab und war ausnahmsweise einmal sehr spendabel, er gab einen Grog aus. So etwas wurde früher besonders hoch angerechnet. Ich war sehr stolz, mit meinem Vater zusammen im Gasthaus zu sitzen und Grog zu trinken. Nach dieser Reise folgte wieder ein unfreiwilliger Heimaturlaub, denn man streikte mal zur Abwechslung wieder und zwar sechs Wochen lang, aber auch diese Zeit ging vorüber, und ich musterte bei Laisz an.


Vollmatrose auf der "PAMELIA"

"PAMELIA" nannte sich das Schiff, 3.000 Tonnen Ladefähigkeit hatte es. Es war als Bark getakelt, d.h. zwei volle Masten mit Raasegeln und ein Mast mit Gaffelsegel. Am 21. Juli erfolgte die Anmusterung als Vollmatrose mit 60 Mark Heuer im Monat. Unser Schiff hatte 24 Mann Besatzung und fuhr nach Santos (Brasilien). Nun hieß es wieder von Hamburg Abschied nehmen und am 26. Juli passierten wir Dover. Im Kanal hatten wir Gegenwind und im Atlantik waren die ersten Tage stürmisch und dauernd mussten die Segel los- und festgemacht werden. Unser Kapitän war dazu noch ein sehr unfreundlicher, herrischer Mann und bei der Besatzung denkbar unbeliebt. Das Essen ließ zu wünschen übrig, also schmeckte die Arbeit auch nicht.

Fünf neue Täuflinge hatten wir am Äquator, die Taufe war für die, die diese Prozedur schon kannten, immer wieder eine Gaudi.

Am 10. September erreichten wir Santos und dort mussten wir acht Tage bleiben, weil wir das Entladen nur mit eigenen Leuten schaffen mussten, außerdem waren noch drei Mann ausgerückt, denen es an Bord nicht mehr gefiel. Der Kapitän war darüber schrecklich aufgeregt, setzte Himmel und Hölle und die Polizei in Bewegung, um die Ausreißer wieder einzufangen. Nach fünf Tagen hatte die Polizei die Ausreißer auch tatsächlich in Sao Paulo, einer deutschen Siedlung in der Nähe von Santos, aufgegriffen und an Bord gebracht. Das Donnerwetter war nicht von schlechten Eltern, aber die Leute waren zu verstehen, denn an Bord war es wirklich fast nicht auszuhalten.

Damals war Sao Paulo eine Siedlung von 3.000 Einwohnern, heute ist Sao Paulo eine Großstadt. Von deutschen Familien wurde ich oftmals eingeladen. Sie holten mich dann mit Pferden ab, bis zur Siedlung musste man dann noch 30 Kilometer reiten. Das Essen bei den Siedlern war nach dem ewigen Schlangenfraß an Bord geradezu ein Festgeschenk und ich langte feste zu. Die Ansiedler mochten mich wohl gerne leiden, sie versuchten wenigstens, mich zu überreden, bei ihnen zu bleiben. Sie versprachen sogar, mich zu verstecken. In den schönsten Farben malten sie mir die Zukunft aus, aber ich konnte mich doch nicht entschließen, meine geliebten Schiffsplanken zu verlassen. Auf der "Pamelia" brauchte ich ja auf Dauer nicht zu bleiben. Die Siedler bedauerten meinen Entschluss sehr, mir fiel der Abschied von ihnen gar nicht leicht, aber ich war nun einmal Seemann. Wer weiß, vielleicht hätte ich wirklich dort einmal mein Glück machen können, denn die Stadt hatte in den darauffolgenden Jahren einen enormen Aufstieg.

Mit Sandballast und einer Ladung Mate setzten wir unsere Reise fort und waren am 28. September in Valparaiso. Die See war gut und so kamen wir schnell bis Kap Horn. Da es Frühling war, hatten wir meistens gutes Wetter und konnten innerhalb der Falklandinseln gehen und dadurch einen ziemlichen Weg abschneiden. Kap Horn passierten wir am 13. Oktober bei ganz klarem Wetter, es war das einzige Mal, dass ich Kap Horn richtig gesehen habe. Man bleibt sonst immer in ziemlich respektvollem Abstand von dieser berüchtigten Ecke. Der Kap-Horn-Fahrer sagt immer, wenn er gut ums Kap Horn kommt, hat er Glück gehabt oder der liebe Gott hat geholfen. Der Wind war südlich und so segelten wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von zehn Kilometern nach Valparaiso, wo wir am 24. Oktober eintrafen.

Iquique, das 830 Seemeilen weiter war, mussten wir auch noch anlaufen. Unser Schiff wurde dort zwischen all den großen Schiffen im Hafen vertaut, vorne beide Anker ausgeworfen und hinten an einer Boje festgemacht. 18 Schiffe aller Nationen waren im Hafen, um Salpeter zu laden, denn etwas anderes gab es dort nicht. Bis zum 10. Dezember dauerte es, bis wir unser Schiff beladen hatten, denn es waren zu viele Schiffe da, da hieß es Schlange stehen.

Das Auslaufen aus dem Hafen von Iquique beschrieb ich schon einmal und so wurden wir auch dieses Mal mit drei Hurras auf die Reise geschickt, eine Reise, die für uns immer die schönste war, denn es ging Kurs Heimat und in diesem Fall sogar direkt nach Hamburg. Genau am heiligen Abend passierten wir Kap Horn, der Wettergott bescherte uns einigermaßen gutes Wetter (es war dort gerade Sommerzeit) und so konnten wir das Christfest mit Kaffee und Kuchen, den wir „Panzerplatten“ nannten, feiern. Zum Abschluss spendierte der Kapitän wahrhaftig noch einen Grog. Er hatte auch wohl so etwas wie Weihnachtsstimmung, sonst hätte das bestimmt nicht passieren können. Sogar das Essen war in diesen Tagen bedeutend besser als gewöhnlich, es gab für jeden Mann ein halbes Pfund Schinken, Kekse aus Dosen und Butterkuchen. Den aber verstand der Koch nicht zu backen, es wurden immer wieder Panzerplatten. Silvester um 24 Uhr gab es Punsch und wieder brach ein neues Jahr an, eines von den vielen meiner langen Fahrenszeit.

So langsam mussten wir daran denken, unser Schiff wieder auf Hochglanz zu polieren. Da wurden die Farbtöpfe herausgeholt, denn auf der Elbe musste das Schiff wie eine Luxusjacht aussehen. Den Äquator hatten wir schon hinter uns gelassen, am 24. März passierten wir Lizard, die SW-Ecke Englands. Zwei Tage vor Lizard kletterten wir schon auf den höchsten Mast (60 Meter hoch), um auszugucken, ob bereits Land in Sicht sei. Wer zuerst Land sah, bekam ein paar Schnäpse. Auf einmal schrie einer: "Land in Sicht". Endlich mal wieder Land zu sehen, das war schon ein Erlebnis. Am 2. April 1899 waren wir glücklich wieder in Hamburg, und Hannes musterte so schnell wie möglich ab, mit 450 Mark Heuer in der Tasche. In Cranz wurde ich schon erwartet, aber ein Seemann kann nicht lange rasten und lange an Land zu bleiben ist nicht Seemannsart.

Mit Passagieren nach Levante ( unter Kapitän Johann Hinrichs - siehe Band 47 in dieser maritimen gelben Reihe!)

Also musterte ich wieder auf einem anderen Schiff an. Es war die "PERA", ein Fracht- und Passagierdampfer, der 80 Fahrgäste mitnehmen konnte und Tourenfahrten nach der Levante machte. 60 Passagiere fuhren mit, als am 26.April 99 die Reise los ging. Das Wetter war gut und die Gäste guter Laune, in der Hauptsache deshalb, weil sie noch nicht seekrank waren. Der Dampfer lief bei gutem Wetter 13 bis 14 Kilometer, das war in der damaligen Zeit eine sehr große Fahrt.

Am 28. April kamen wir in Le Havre an. Früh um sechs Uhr kam dann die schwarze Gang an Bord. Schwarze Gang war ein anderer Name für den Zoll, der ja bei Auslandsreisenden ein ungern gesehener Gast ist. Sie fanden aber nichts, vielleicht waren aber auch die Verstecke zu gut, wer kann das heute noch wissen. Das meiste unserer Ladung war für Griechenland bestimmt und zwar für Patras, Korinth, Piräus, Athen und Saloniki, der Rest der Ladung ging nach Smyrna und Konstantinopel, Rumänien, Konstanza, Odessa und Batum. Das Schiff war wunderbar eingerichtet und damals eines der besten Schiffe Deutschlands. Bei Kap Finistere und Gibraltar wurden Flaggensignale gegeben, die Nachrichten wurden dann an die Reederei weitergeleitet. Drahtlose Telegrafie gab es ja an Bord noch nicht, heute ist das alles selbstverständlich.

Am 12. Mai waren wir dann in der Nähe von Algier, zwei Tage später sahen wir Malta und da es gerade Tag wurde, konnten wir die Insel gut sehen. Die Passagiere waren natürlich alle an Deck, sie wollten für ihr Geld auch etwas haben. Wir fuhren deshalb auch ganz dicht an Malta vorbei. Durch den griechischen Archipel ging die Fahrt dann weiter und abends waren wir in Patraa. Einen Tag hatten wir dort Aufenthalt, durch den Kanal von Korinth dampften wir nach Korinth. Der Kanal ist an einigen Stellen so eng, dass sich zwei Schiffe nicht begegnen können. Dass aus Korinth die Korinthen kommen, weiß inzwischen wohl jedes Kind und so ist es auch nicht verwunderlich, dass wir dort Korinthen und Rosinen als Ladung übernahmen. Die Gegend ist wunderschön und da wir an einem Sonntag dort waren, hatten wir auch Gelegenheit, mal an Land zu gehen und einen Ausflug in die Umgebung zu machen. Mit einem Eselsgespann kamen wir wieder zurück, übrigens wurde die Ladung auch mit Eselgespannen an Bord gebracht.

Die Fahrt ging am 21. Mai weiter, und zwar nach Piräus, der Hafenstadt von Athen. Wir kamen abends an, blieben dort aber ein paar Tage länger, weil wir dort unsere Hauptladung löschen mussten. Hier haben wir in unserer Freizeit herrliche Ausflüge gemacht. Wir waren in Athen und Umgebung, alles wurde besichtigt, die Altertümer bestaunt und wir waren sehr beeindruckt von all den Sehenswürdigkeiten. Aber auch die Bewohner dieses Landes sahen uns gern als ihre Gäste und wir wurden häufig eingeladen. Die Bevölkerung war überhaupt sehr deutschfreundlich. Unsere Ladung bestand hauptsächlich aus Südfrüchten und wir versorgten uns auch damit. Viele Fahrgäste stiegen hier aus, sie wollten länger in diesem schönen Land bleiben. Wir hatten aber immer noch 31 Passagiere an Bord.

Am 23.Mai machten wir uns auf den Weg nach Saloniki. Auch dort holten wir Südfrüchte an Bord und am 27.Mai kamen wir nach Smyrna, dem Teppichland. Hier war nun wieder Gelegenheit, kleine Nebengeschäfte zu machen. Ich habe mir dort einen Teppich eingehandelt, wo der aber später geblieben ist, weiß ich nicht mehr, sicher habe ich ihn versilbert. Die Fahrt durch die Dardanellen war herrlich, wie es wohl immer besonders schön ist, wenn man etwas zum ersten Mal sieht. Konstantinopel ist eine einzig schöne Stadt und beeindruckte uns sehr. Die Bauten machten auf uns einen großen Eindruck und wir hätten gerne einmal gewusst, wie es hinter den Haremsmauern aussah.

Von der Reederei aus wurden verschiedene Feste auf unserem Schiff gefeiert. Viele Damen und Herren, die in Konstantinopel ansässig waren, wurden eingeladen und es ging dann an Bord hoch her. Wir erlebten das aber nur als Zaungäste, denn noch waren wir ja nicht Kapitäne und bis dahin war es noch ein weiter Weg. Wir hatten aber auch so unseren Spaß.
Durch den Bosporus setzten wir unsere Reise fort. Die Durchfahrt war sehenswert, all die herrlichen Bauten, prunkvollen Paläste mit märchenhaften Gärten. Wir schauten uns bald die Augen aus dem Kopf. Haremsdamen konnten wir aber nirgends entdecken, die interessierten uns nun mal ganz besonders. In Konstantinopel blieben wir nur vier Stunden, am 5. Juni verließen wir Odessa und fuhren weiter nach Batum. In Konstantinopel hatten uns alle Passagiere verlassen, wir waren nun wieder nur Frachtdampfer. Batum, am Schwarzen Meer, wird die russische Riviera genannt. Die Gegend ist aber auch wunderschön und es gab viel zu sehen. Heute nach sechzig Jahren sind mir alle meine Reisen noch so gegenwärtig, als hätte ich sie erst gestern erlebt. In Hamburg kamen wir am 24. Juni an. Der Hannes musterte gewohnheitsgemäß mal wieder ab, aber dieses Mal für längere Zeit, denn jetzt musste ich erst mal die Navigationsschule besuchen, denn mein Ziel war ja, ein waschechter Kapitän zu werden. Der häufige Schiffswechsel war aber früher üblich, das hatte nichts mit Unbeständigkeit zu tun.

Steuermann auf großer Fahrt und Einjähriger.

So war ich denn Navigationsschüler geworden und machte am 1.4.1900 mein Examen als Steuermann auf großer Fahrt. Als frischgebackener Steuermann musterte ich am 18.4.1900 auf dem Dampfer "WAGRIEN" an mit einer Heuer von 85 Mark im Monat. Verschiedene kleine Fahrten machte ich mit diesem Schiff und zwar zwischen Hamburg und Manchester. Aber das Schiff gefiel mir ganz und gar nicht, es war ein dreckiger Pott, mit viel Ungeziefer und die Wanzen peinigten uns die ganze Nacht. Kakerlaken wimmelten überall herum, na von den Ratten ganz zu schweigen. Ich war froh, als ich am 15. September wieder aussteigen konnte. Vierzehn Tage blieb ich erst mal in Cranz und dann wurde ich als Einjähriger eingezogen. Kiel war die Garnison. Die dreimonatige Kasernenhofausbildung war damals sicher ebenso unbeliebt wie heute, aber sie gehörte nun mal dazu. Auf dem Schulschiff "OLDENBURG"  machte ich meine Reserveoffiziersausbildung durch. Bald wurde ich zum Obermatrosen befördert und nach weiteren drei Monaten bekam ich Kommando. Scheibenkommando nannte es sich, dauerte aber nur vier Wochen. Anschließend kam ich als Aspirant auf den Kreuzer "AEGIR", wo ich bis zum 1. Oktober 1901 blieb.

Nun bekam ich dummerweise einen argen Gelenkrheumatismus, konnte fast kein Glied mehr bewegen und wurde im Lazarett buchstäblich in Watte gepackt. Eine schmerzhafte Angelegenheit war diese Krankheit, aber nach sechs Wochen wurde ich für einen Monat auf Erholungsurlaub geschickt. Durch diese Krankheit hatte ich nun aber das Pech, mit meinem Reserveoffizierskursus nicht fertig zu werden, denn am ersten Oktober war meine Dienstzeit zu Ende und ich konnte wieder ziviler Seemann werden. Reserveoffizier wurde ich dann im ersten Weltkrieg, aber davon später. In der Einjährigenzeit brauchten wir nicht immer in der Kaserne wohnen und ich hatte mir mit noch zwei Kameraden ein Zimmer in der Stadt gemietet, so eine richtige Junggesellenbude. Eingerichtet war die Bude nicht besonders, aber besser als in der Kaserne. Unser Geld reichte natürlich nie, wie sollte es auch anders sein. Mein Freund kam aber auf die grandiose Idee, sich eine Freundin anzulachen, so eine richtige Bratkartoffelliebe, möglichst eine Mamsell, die an die Fleischtöpfe herankam. Er hatte auch Glück, sie war Mamsell im Bahnhofsrestaurant.

Für ihn mit ihren 40 Lenzen schon etwas ältlich, aber sie verliebte sich in ihn. Dick war sie auch und als schön konnte man sie gerade nicht bezeichnen, aber darum ging es uns ja gar nicht, wir hatten ganz andere Gedanken dabei. Als er uns das neue "Glück" vorstellte, mussten wir aber doch lachen. Wir sagten auch später zu ihm, das wäre "Liebe zum abgewöhnen". Am Tage konnte er sich mit der "Schönen" sowieso nicht sehen lassen und so lud er sie am Abend gegenüber vom Bahnhof in ein Gartenlokal ein. Es versteht sich von selbst, dass sie nicht mit leeren Händen kommen durfte, wenn er "treu" bleiben sollte. Unsere Lebensmittelversorgung war wenigstens für lange Zeit sichergestellt. Ob es von uns nun gerade ein feiner Zug war, bleibt dahingestellt, aber wir waren jung und für jeden Streich zu haben. Kathrine war jedenfalls restlos glücklich und unser böses Spiel hat sie nie durchschaut. Wenn sie heute noch lebt, denkt sie vielleicht noch ab und zu an den feschen Einjährigen, den sie damals in Kiel so verwöhnen konnte. Zweimal in der Woche füllten wir so unseren Proviant auf und wenn alles aufgefuttert war, hieß es: "Hein, es wird Zeit. Du musst wieder mit Kathrine ausgehen." Sie war eine dankbare Liebe, die gute Kathrine.

Bei H. M. Gehrkens auf Finnlandfahrt

Als Obermaat der Reserve wurde ich entlassen und landete wieder in Cranz, wo ich mir drei Wochen lang das Zivilleben schmecken ließ. Auf dem Dampfer "FÖHR" musterte ich als 2. Steuermann mit 90 Mark Heuer an. Die Fahrten gingen zwischen Hamburg und Schweden (Stockholm, Gefle, Hudiksvall, Sundsvall, Hernösand, Pitea, Skeleftea). Drei Wochen dauerte jeweils eine Tour. Zehn Reisen machte ich auf dem Schiff, aber der Kapitän war ein schrecklich nervöser Kerl. Ich hielt es also nicht länger aus, wollte nun endlich auch bei einer Reederei, die mir gefiel, festen Fuß fassen. So kam ich dann am 22. Mai 1902 auf den Dampfer "Hernösand" der Reederei H.M. Gehrkens und hier blieb ich, bis ich mich zur Ruhe setzte, aber das kam erst viele viele Jahre später. H.M. Gehrkens war eine alte Reederei mit zwölf Schiffen, die hauptsächlich Tourenfahrten nach Finnland und Schweden machten. Die Haupthäfen waren Helsingfors, Abo, Hangö, Kotka und Wiburg. Bis zum 6. Februar 1903 blieb ich auf Hernösand und wurde noch am selben Tag auf die "Pitea" versetzt. Kapitän Brauer war unser ältester Kapitän und der beste der Flotte. Leider blieb ich aber nur 23 Tage bei ihm an Bord, denn ich wurde erster Offizier und kam auf ein anderes Schiff. Einige Reisen machte ich dann noch auf "D.Stockholm", einige auf "Pitea" und musterte dann ab, um die Navigationsschule zu besuchen. Der Unterricht dauerte gewöhnlich ein halbes Jahr, aber ich hatte schon vorgearbeitet und kam am 20. Juni in den ersten Kursus hinein. Am 30. gab es 14 Tage Sommerferien. Nun hatte ich auf der Schule einen alten Freund von der "THEKLA" wiedergetroffen, der den ersten Kursus vollständig mitgemacht hatte. Er bot mir an, mit mir alles durchzupauken, was ich durch mein verspätetes Einspringen in den Kursus versäumt hatte. Paul Haenike hieß er, hatte keine Eltern mehr und wusste nicht, wo er seine Ferien verbringen sollte. Ich nahm ihn mit nach Cranz, er konnte dort bei meinen Eltern wohnen und so war uns beiden geholfen. Wir verlebten eine herrliche Zeit in Cranz, es war gerade Kirschenzeit. Unsere Tageseinteilung hatten wir uns genau aufgestellt. Um sechs standen wir auf, frühstückten ausgiebig und büffelten bis 11 Uhr. Nach dem Mittagessen arbeiteten wir noch einmal zwei Stunden. Sonntags wurde gefeiert. Irgendwo am Elbdeich wurde erst mal ein Badeplatz gesucht und gebadet, halb sehnsüchtig den ausfahrenden Seeschiffen nachgeschaut und abends ging es dann auf den Tanzboden. Irgendwo war immer so ein Vergnügen. Die Zeit ging viel zu schnell vorbei, aber ich hatte in diesen 11 Tagen alles aufgeholt, wozu die anderen Schüler zwei Monate brauchten. Ich war meinem Freund sehr dankbar. Am 1. Juli war die Prüfung, d.h. ich wurde geprüft, ob ich den Kursus mitmachen könne. Es klappte alles und so konnte ich in den zweiten Kurses einsteigen. Während meiner Schulzeit wohnte ich in Cranz und fuhr jeden Morgen nach Hamburg. Im September fingen die Prüfungen mit den schriftlichen Examensarbeiten an. Wir hatten drei mal acht Stunden Zeit dazu, aber ich war mit acht Stunden 13 Minuten fertig und hatte fehlerfrei gearbeitet. Auch die mündliche Prüfung klappte wie an Schnürchen und ich bestand mit "Sehr gut".

Die Reederei H. M. Gehrkens forderte mich wieder an und schickte mich nach Lübeck, wo ein neues Schiff im Bau war. Diesen Bau musste ich beaufsichtigen. Das dauerte drei Wochen und von Travemünde aus wurde die Probefahrt gemacht. Auf diesem neuen Schiff wurde ich erster Offizier und bekam nun 115 Mark Heuer. Die erste Fahrt mit der "HAPARANDA" machten wir nach Sundsvall (Schweden) und holten dort eine Holzladung für Bremen. Die Maschine hatte 1100 PS. Dieses Schiff war mit Eisenverstärkung gebaut und hauptsächlich für die Finnlandfahrten so verstärkt worden, dass wir auch im Winter bei Eis dorthin fahren konnten.

Auf der Reise nach Sundsvall - es war in Oktober - war es schon ziemlich kalt und unterwegs bekamen wir einen schweren Schneesturm. Bei starkem Schneetreiben fuhren wir durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal. Am 4.11. um vier Uhr ging es durch die Brunsbütteler Schleuse. Zeitweise konnte man nichts sehen, so unsichtig war es und plötzlich um acht Uhr morgens gab es einen Ruck. Wir waren durch das unsichtige Wetter und Stromversetzung bei Altenbruch, 5 Seemeilen vor Cuxhaven, auf Stack gelaufen. Es war gerade Hochwasser und die Ebbe setzte ein. So blieb das Schiff dort sitzen. Die Bergungsdampfer waren sofort zur Stelle, aber das nützte nicht viel, wir mussten erst das neue Hochwasser abwarten. Bei Niedrigwasser war das Schiff vorn ganz trocken und achtern war das Deck unter Wasser. So bestand Gefahr, dass es durchbrach. Nun wurde erst mal Schiffsrat abgehalten und beschlossen, einen Teil der Ladung über Bord zu werfen, um das Schiff leichter zu machen. Hinten wurde ein großer Anker ausgebracht, um den Winden zu helfen. Das Holz, das wir über Bord warfen, trieb bei Altenbruch an den Strand. Die Bewohner hatten das gleich spitz bekommen und schleppten das Holz über den Deich. Für sie war das Strandgut, sie glaubten ein Recht zu haben, sich das Holz anzueignen. Für diese Strandpiraten war das ein schönes, unverhofftes Geschäft. Beim nächsten Hochwasser wurde das Schiff mit sechs Bergungsschleppern geschleppt, d. h. erst versuchten sie den Dampfer frei zu bekommen. Viele Zuschauer hatten sich inzwischen eingefunden und uns war das Glück hold, wir kamen frei und konnten im tiefen Wasser erst mal ankern. Später dampften wir dann mit eigener Kraft nach Hamburg. Ein Schlepper begleitete uns auf dieser Fahrt. Nun musste die Ladung gelöscht werden und dann mussten wir ins Dock (Stülcken-Werft), denn die Haparanda hatte einen ziemlich großen Bodenschaden bekommen. Neun Platten und Spanten mussten eingesetzt werden. Die Reparatur nahm viel Zeit in Anspruch und es wurde Dezember, bis wir wieder fahren konnten. Trotzdem dampften wir erst am 4. Januar nach Bremen, um unsere Holzladung dort zu löschen. Die ganze Mannschaft war natürlich froh, dass sie Weihnachten und Neujahr bei ihren Familien sein konnte, denn das kommt bei den Seefahrern höchst selten vor. Die Seeamtsverhandlung musste nun auch noch die Schuldfrage der Havarie klären, aber die Verhandlung lief für uns gut aus. Man führte den Unfall auf die schlechte Sicht und Stromversetzung zurück. Der Schaden musste also von der Versicherung getragen werden.

Am 12. Januar waren wir wieder im Hamburger Hafen und dort wurde unser braves Schiff wieder für die Finnlandfahrt zurecht gemacht. Diese Reisen wiederholten sich nun in steter Folge, es wechselte das Wetter, es wechselten die Jahreszeiten, es gab ruhige und sehr stürmische Reisen, aber keine nennenswerte Zwischenfälle.

Und doch passierte auf der "HAPARANDA" etwas, das aber mit dem Schiff nichts zu tun hatte und wobei unser Kapitän beinahe uns Leben gekommen wäre, aber das muss ich mal genau erzählen. Am 4. Juli 1905 kamen wir in Valkum bei Lovisa in Finnland an, um dort Holz für Bremen zu holen. In diesen Holzhäfen ist nicht viel los und jeder gestaltet sich seine Freizeit nach eigenem Geschmack. Unser Kapitän Fock war ein großer Jäger vor dem Herrn und ging deshalb auch bei jeder Gelegenheit zur Jagd. Mit seinem kleinen Foxterrier, der ihn auf allen Reisen begleitete, fuhr er eines Tages mit dem Arbeitsboot los, um Enten zu schießen. Als unser Kapitän aber abends um sechs Uhr noch immer nicht an Bord zurückgekehrt war, machten wir uns echte Sorgen und unruhig hielten wir nach dem Boot Ausschau. Um sieben kam dann endlich das Boot angesegelt, der Hund bellte, aber von unserem Kapitän war nichts zu sehen. Wir sahen nur einen fremden Mann, der das Boot längsseits brachte. Es war ein Finne, der das Boot steuerte. Als das Boot dann neben unserem Schiff lag, sahen wir unseren Kapitän leichenblass unten im Boot liegen und wir glaubten, er sei tot. Was war da geschehen, so fragten wir uns. Nun, wir erfuhren es dann später.

Kapitän Fock war also losgefahren, um Enten zu schießen. Beim Segeln lag sein Gewehr mit dem Lauf nach hinten auf der Bank, er selbst saß am Ruder. Als er die ersten Enten sah, wollte er gleich einmal sein Heil versuchen, nahm das Gewehr auf, aber der Hahn hakte irgendwo und ein Schuss ging vorzeitig los und traf den Kapitän in den Oberschenkel. Er muss dann gleich ohnmächtig geworden sein, jedenfalls wurde er später bewusstlos aufgefunden. Der kleine Foxel, der mit großer Liebe an seinem Herrchen hing, fing fürchterlich an zu winseln und bellte dann so laut er konnte. Schließlich wurde der Finne, der in seinem Segelboot unterwegs war, durch das Bellen aufmerksam und segelte in die Nähe des Bootes. Die Segel flatterten im Wind und je näher der Mann an das Boot kam, desto unruhiger gebärdete sich der Hund. Als der Finne dann sah, was passiert war, nahm er das Boot in Schlepp und brachte es zu uns. Der kleine Hafen verfügte weder über ein Motorboot, noch gab es einen Arzt dort. So ließ ich in Lovisa anrufen und einen Krankenwagen bestellen, der den Verunglückten gleich ins Krankenhaus bringen sollte. Ich segelte dann auch gleich mit dem todkranken Kapitän nach Lovisa, wo der Krankenwagen schon auf uns wartete. Ich wollte unseren Chef gleich nach Helsingfors transportieren lassen, aber der Arzt ließ es nicht zu, weil der Blutverlust zu groß war. Ich bat aber den Arzt, die Überweisung nach Helsingfors sobald als möglich zu veranlassen. Die Reederei wurde von dem Unfall unterrichtet und nun sollte ich als 21jähriger das Kommando über das Schiff übernehmen und es nach Bremen bringen.

Frau Fock reiste dann mit dem nächsten Schiff nach Finnland, um bei ihrem kranken Mann sein zu können. Nach einiger Zeit konnte Kapitän Fock nach Helsingfors gebracht werden. Er kam dort ins Stadtkrankenhaus, wo ihn Professor Beselin behandelt hat. Trotz aller Mühe konnte aber auch der Professor das Bein nicht retten, es musste bis zum Knie abgenommen worden. Das Fleisch des Oberschenkels war auch zum Teil durch den Unfall verletzt. Um die großen Wunden schließen zu können, ließ sich Frau Fock aus ihrem Bein Hautstücke herausschneiden, die auf das verletzte Bein ihren Mannes verpflanzt wurden. Nach sechs Wochen schlossen sich dann auch die Wunden und nach weiteren sechs Wochen konnte man an eine Überführung nach Hamburg denken. Es dauerte aber noch viele Monate, bis Kapitän Fock eine Prothese bekommen konnte und die ersten Gehversuche strengten ihn sehr an. Er hat dann aber später noch manches Jahr als Kapitän auf der Brücke gestanden und als er sich zur Ruhe setzte, bastelte er in seinen Mußestunden Schiffe, auch Modelle der Schiffe, auf denen er bei seiner Reederei gefahren ist. Die finnischen Zeitungen waren seinerzeit voll von den Berichten und der kleine Foxel als Lebensretter spielte in den Berichten die größte Rolle.

Ich durfte dann noch zwei Reisen als Kapitän der "HAPARANDA" nach Finnland fahren und war glücklich, dass mir diesen Vertrauen geschenkt wurde.

Bis September 1906 bin ich noch auf vielen anderen Schiffen meiner Reederei gefahren, wie "PILETA", "LULEA", "SÖDERHAMN", "STOCKHOLM" und habe immer Glück auf meinen Fahrten gehabt. Am 18. September wurde ein neues Schiff in Lübeck gebaut und nach Fertigstellung in Dienst gestellt. Es war wieder ein sogenanntes Eisschiff extra für Finnlandreisen gebaut. Für einen Monat wurde ich nach Lübeck geschickt, um den Bau zu beaufsichtigen. Die Probefahrt des Dampfers, den man auf den Namen "SUOMI" taufte - Suomi heißt auf deutsch Finnland - verlief zur Zufriedenheit. So eine Probefahrt ist immer eine große Sache, es wurden wie immer Reden geschwungen, Wein und Sekt getrunken und der Höhepunkt war dann, wenn die Werftflagge heruntergeholt wurde und die Reedereiflagge deren Platz einnahm.

Nach der feierlichen Indienststellung wurde das neue Schiff beladen und die erste Reise nach Finnland angetreten. Ende September kamen wir in Helsingfors an. Das Schiff wurde über die Toppen geflaggt und am nächsten Tag war eine große Feier an Bord. Prominente Gäste fanden sich ein wie z.B. der Handelsminister, Generalkonsul, etliche Generaldirektoren usw. Die Zeitungen brachten große Berichte über das neueste Schiff der Reederei H. M. Gehrkens und hoben besonders hervor, dass das Schiff den Namen "SUOMI" trug. Bis Mai 1910 fuhr ich als erster Offizier auf der "SUOMI", dann wurde ich zum Kapitän befördert und ich war sehr glücklich, endlich mein lang erstrebtes Ziel erreicht zu haben. Meine Eltern waren recht stolz auf ihren frischgebackenen Kapitän. Mit der "Suomi" machte ich noch viele Fahrten, bis 1914 der erste Weltkrieg ausbrach.

Der erste Weltkrieg

Ich war gerade in Hamburg und musste sofort mein Schiff verlassen, um mich bei der Marine zu melden. In Wilhelmshaven wurde ich eingekleidet und als Obermaat begann ich meinen Kriegsdienst. Vierzehn Tage später wurde die Nordseevorposten-Flottille gegründet und zwar fünf Gruppen, je Gruppe sechs Boote. Es waren umgebaute Fischdampfer, die vor der deutschen Nordmeerküste bis nach Esberg (Dänemark) hin und her kreuzen mussten und auf diese Weise den Küstenschutz übernahmen.

Ich wurde Kommandant des Vorpostenbootes "BRESLAU". Die Schiffe waren mit drei 8,8-cm-Geschützen ausgerüstet, zwei vorne und eins am Heck. Die Besatzung bestand aus 34 Mann. Sechs Tage war man dann auf See und vier Tage im Hafen. Man nannte den Dienst auf diesen Booten auch Himmelfahrtskommando. Bin zum 10. Oktober 1915 blieb ich auf der "BRESLAU", am 1. Oktober bekam ich das E.K.2. Dann meldete ich mich zum Reserve-Offizierkursus und wurde auf S.M.S. "SCHWABEN", dem Ausbildungsschiff für angehende Offiziere, auf das Examen vorbereitet.
Der Kursus dauerte drei Monate. Die Artillerieausbildung fand ich nicht interessant und die Navigationsausbildung hatte ich nicht mehr nötig, da hatte ich auf der Seefahrtschule bedeutend mehr gelernt. Immerhin war ich ja schon etliche Jahre Kapitän. So bestand ich mein Examen ohne Schwierigkeiten und wurde Vizesteuermann der Reserve und Offiziersanwärter.

Die Reserveoffizier-Prüfung kam dann am 10. Januar 1916 auf der S.M.S. "REGENSBURG". Es war einer von unseren großen Kreuzern mit Kapitän z.S. Heinrich als Kommandant. Wir machten dann mit 12 großen Zerstörern mehrere Fahrten nach England rüber und beschossen die englische Küste. Kapitän Heinrich war ein Draufgänger, aber dennoch ein besonnener Mann. Immerhin waren diese Fahrten ziemlich gewagt. Wenn ich im Hafen an Bord meine Wache schob, kam Kapitän Heinrich oftmals zu mir, klopfte mir auf die Schulter und sagte: "Na, Kapitän, nun müssen wir aber bald mal wieder etwas unternehmen!" Er nannte mich grundsätzlich nur Kapitän, weil ich im Zivilberuf ja Kapitän war.

Am 27. Januar lagen wir auf Schillig-Reede. Es war Kaisers Geburtstag, also ein großer Tag, der auch gebührend gefeiert wurde. Man legte damals Wert darauf, festzustellen, wie sich die zukünftigen Offiziere verhalten, wenn sie eine ziemliche Menge Alkohol getrunken hatten. Also wurden die Offiziersanwärter feste unter Alkohol gesetzt. Das Kommando an Bord war prima: Kommodor Kapitän z.S. Heinrich, Kommandant Kapt.z.S. Bendemann, Funkoffizier Graf Rantzau, 1.Off. Kapt.z.S. Grat v.d. Borne, Art. Off. Graf Metlitz und Nav. Off. Freiherr v. Schweidnitz. Es gab also zunächst ein wunderbares Festessen und die besten Getränke. Ich hatte meinen Platz zwischen Graf v.d. Horne und Freiherrn v. Schweidnitz. Nun wurde unauffällig aber genau beobachtet, wie man sich beim Essen benahm, ständig wurde einem zugeprostet, da musste man, ob man wollte oder nicht mithalten. Mich und zwei andere Kursusteilnehmer versuchte man so unter den Tisch zu trinken. Zwei fielen auch nach einigen Stunden aus, sie konnten einfach nicht mehr. Bei mir hatten sie aber kein Glück, denn ich konnte mehr vertragen, als sie alle zusammen, und aus der Rolle fiel ich auch nicht. Schließlich war ich nicht umsonst ein alter sturmerprobter Seebär der Handelsmarine. Wir waren andere Feste gewöhnt und in Helsingfors dauerten die Feste oft zwei Tage und Nächte, da war ich auch etwas gewöhnt. Nun ist es aber keineswegs so, dass die Seeleute, wie man es in Liedern so oft hört, ewig mit der Rumbuddel herumlaufen, aber in ausländischen Häfen musste die Schiffsleitung sehr oft aus geschäftlichen Gründen Feste an Bord geben, um mit den ausländischen Firmen in Kontakt zu bleiben. Das geschieht am besten, wenn man in zwangloser Gesellschaft ein paar Stunden zusammensitzt. Aber das nur nebenbei. Nun, die Kaiser-Geburtstagsfeier ging bis früh um fünf Uhr durch, dann kam der 1. Off. v. Schweidnitz zu mir und sagte: „Kapitän, Ihre Prüfung haben Sie schon bestanden!“

Die richtige Prüfung fand aber erst im April statt. Wir wurden dann einzeln examiniert und bei mir ging das so vor sich: Der Navigationsoffizier stellte die erste Frage: "Na. Käptn, was wollen wir trinken? - Flasche Sekt?" - Ich war natürlich nicht abgeneigt. Nach einer Viertelstunde war die Prüfung beendet, Fragen wurden kaum gestellt. Beim 1. Offizier dieselbe Geschichte und zuletzt beim Arzt gab es auch wieder Champagner. Diese sogenannte Prüfung dauerte bis elf Uhr. Um 12 Uhr war dann eine große Sitzung beim Kommandanten in der Messe. Die Prüfer mussten dort die Ergebnisse bekanntgeben. Ich hatte mit „sehr gut“ bestanden und meine Kollegen flogen durch, d.h. die hatten sie aber auch auf Herz und Nieren geprüft. Ich blieb noch zwei Monate als Wachoffizier auf S.M.S. "Regensburg" und wurde zum Leutnant z.S. befördert. Zufällig traf ich eines Tages auf der Straße meinen alten Kommandanten, Kapt. z.S. Forstmann, Führer der Nordseevorpostenflottille. Er erkundigte sich interessiert, wo ich z.Zt. stationiert sei, und als er hörte, dass ich auf Kreuzer "Regensburg" war, meinte er, da gehöre ich doch nicht hin. Er sagte mir, er wolle noch heute mit dem Admiral sprechen, damit ich wieder in seine Flottille käme. Ich sollte dort als Kommandant eine Vorpostengruppe bekommen. Eine Gruppe bestand aus sechs Booten. Im Stillen dachte ich: "Na, wie das wohl abläuft?" Am nächsten Abend hatte ich Wache, da kam ein Funkspruch: „Der Leutnant z.S. Hubert ist sofort zur Nordseevorpostenflottille zu überweisen." – Unterschrift: Admiral Scheer.

Als am nächsten Morgen der erste Offizier an Bord kam, machte ich gleich Meldung und zeigte ihm den Funkspruch. Er war empört und sagte, das komme nicht in Frage, dass man ihm hier so einfach seine besten Leute weghole. Aber Befehl ist Befehl, und so mussten sie mich gehen lassen. Der Kommandant bestellte mich zu sich, gab mir zum Abschied die Hand und gratulierte mir zu dem selbständigen Posten, der einer Beförderung gleichkam. Es wurde noch eine Flasche Sekt getrunken und damit war dann mein Dienst auf der "Regensburg" beendet.

Bei Kapt. z.S. Forstmann meldete ich mich am nächsten Tag. Ich kam als Gruppenführer der Außengruppe, welche nördlich von Esberg stationiert war, auf V.P.B. "AKLEBARAN". Mit meiner Gruppe, die sechs Boote umfasste, mussten wir Dienst zwischen Esberg und zehn Meilen nördlich davon machen. Es galt aufzupassen, dass keine feindlichen U-Boote in unsere Gewässer kamen. Wenn nun mal draußen keine dicke Luft war, vertrieben wir uns die Zeit, indem wir fischten. Zu diesem Zweck hatten wir uns Netze organisiert. Da viele Besatzungsmitglieder früher bei der Fischerei tätig waren, hatten wir auch genügend Fachleute an Bord. Einen großen eisernen Schrank hatten wir uns auf der Werft besorgt, der wurde als Räucherkammer in Dienst gestellt. So hatten wir außer Frischfisch auch immer die herrlichsten Räucherfische. Auf unserer Station waren die besten Fischgründe und wir brachten fast alle paar Tage 2.000 bis 3.000 Pfund Fische mit. Die Beute wurde in der ganzen Gruppe verteilt und jedes Besatzungsmitglied durfte nach jeder Fahrt 30 Pfund Frischfisch und 20 Pfund Räucherfisch nach Hause schicken. Was das im Krieg heißt, wissen wir alle, denn die Kartenzuteilung reichten doch nie. Handel durfte aber mit den Fischen nicht getrieben werden, das war strengstens verboten. Wurde jemand dabei erwischt, dass er seinen Anteil verkaufte, durfte er vier Wochen keine Fische nach Hause schicken. Die Gefahr, dass Handel mit den Fischen getrieben wurde, war aber gering, denn die Angehörigen warteten doch jede Woche sehnsüchtig auf das nahrhafte Paket. Die großen Kriegsschiffe bekamen, wenn wir genügend hatten, natürlich auch von dem Segen des Meeres etwas ab, aber sie mussten bezahlen, und zwar für Edelfische, wie Steinbutt, Seezunge etc. bekamen wir vierzig Pfennig das Pfund und für Kabeljau und Schollen 20 Pf. Dieses Geld kam in eine besondere Kasse für die bedürftigen Besatzungsmitglieder. Von dem Geld wurde das Porto bezahlt, das sie für die Fischpakete brauchten. Blieb dann noch Geld übrig, veranstalteten wir davon eine kleine Weihnachtsfeier oder was gerade zeitgemäß war.

Einmal, es war im Oktober 1916, kamen wir gerade von Esberg zurück und sahen vor Helgoland viele Kisten treiben. Die Mannschaft peilte schon ganz aufgeregt die Lage, hoffentlich einen guten Fang zu tun. Jedenfalls musste untersucht werden, was in den Kisten verborgen war. Vorsicht war trotzdem geboten, denn man konnte nicht wissen, ob es nicht getarnte Minen waren. Immerhin wollten wir der Sache auf den Grund geben, wir ließen ein Boot zu Wasser und ruderten näher an die Kisten ran. Was konnten die wohl enthalten, das war die Frage der Stunde. In all den Kisten, die da herumtrieben, war Butter in Paketen und Dosen. Nun war kein Halten mehr. Alle Boote setzten ihre kleinen Fahrzeuge aus und eine Kiste nach der anderen wurde in Sicherheit gebracht. 4.000 Pfund Butter, und das im Krieg! - Jeder bekam 20 Pfund, die an die Angehörigen geschickt werden konnten. Die werden Augen machen. Weihnachten gab es dann den Rest des Fanges.

Nun war es aber nicht so, als wenn unser ganzer Kriegsdienst nur darin bestand, unsere eigenen Interessen zu wahren. Diese kleinen Episoden waren für uns nur eine willkommene Unterbrechung der weiß Gott nicht leichten Fahrten unserer Flottille. Alle zehn Tage wurde eine Fahrt gemacht, die hauptsächlich den Zweck hatte, unsere U-Boote durch die minenfreien Wege zu geleiten. Zwei U-Boote fuhren dann voraus, sie waren mit Minenschneidegeräten ausgerüstet, in Kiellinie folgten dann die U-Boote. Einen Tages sahen wir nachts um 24 Uhr (zur Geisterstunde) vier große Kreuzer und 12 Zerstörer ganz in unserer Nähe. Wir fuhren auf der Schattenseite, so konnten sie uns noch nicht sehen, aber die U-Boote tauchten schnellstens und wir verschwanden in Richtung der dänischen Küste, so das wir innerhalb der Dreimeilengrenze waren. Der minenfreie Weg war passiert, so konnten die U-Boote allein ihre Fahrt fortsetzen. Ich versuchte sofort, mit unserer Signalstation Verbindung zu bekommen, aber da die Engländer immer dazwischen funkten, dauerte es eine Weile, bis die Verbindung glückte. Unter Code meldete ich, dass und wo ich die feindlichen Verbände gesichtet hatte und bekam die Antwort "Laufen sofort aus." Eine Stunde später kamen die Engländer zurück, Kurs Nord. Ich war froh, dass die Luft wieder rein war, wagte aber doch nicht, den gleichen Weg zurück zu nehmen, denn nun musste man ja damit rechnen, dass die feindlichen Brüder überall Minen ausgelegt hatten. Wir verkappten uns als holländische Fischdampfer und hielten uns dicht unter der dänischen Küste. Dort hatten wir schon früher ein kleines Fahrwasser ausgelotet und konnten notfalls am Tage den Weg nehmen, aber nur mit fünf Meter Tiefgang. Diesen Weg fuhren wir dann auch bei Tagwerden und kamen gut wieder in unserem Heimathafen an. Eine Minenräumflottille lief dann aus und unsere Vermutung, dass die Feinde Minen ausgelegt hatten, bestätigte sich, denn bei Hornriff fand man große Minenfelder. Es wäre wahrscheinlich ein großes Unglück passiert, wenn wir die Schiffe nicht zufällig gesichtet hätten, denn eine am anderen Tage auslaufende Torpedobootsflottille wäre unweigerlich in das Minenfeld geraten. Im Flottillentagesbefehl stand dann später: "Der Flottenchef spricht der Besatzung des Vorpostenbootes "Aldebaran", insbesondere dem Leutnant z.S. Johannes Hubert seine vollste Anerkennung aus. Grossadmiral Scheer."

Am heiligen Abend bekam ich außerdem das E.K.1.

Am 2. Juli 1917 heiratete ich. Die Hochzeit wurde im engsten Kreise gefeiert, also eine richtige Kriegstrauung. Trotzdem kamen unendlich viele Glückwünsche. Dass ich den Geburtstag meines Sohnes am 28.3.1918 erleben durfte, habe ich einem Zufall zu verdanken. Ich wurde an diesem Tag auf meiner Position von einem Kameraden abgelöst. Er hatte dann das Unglück, von Engländern torpediert zu werden, kam aber gottlob nur in Gefangenschaft. Er hatte insofern also trotz allem noch Glück gehabt, denn so mancher guter Freund und Kamerad musste für immer draußen bleiben. So manches brave Schiff kam von der Fahrt nicht wieder zurück.

Viele Flugzeuge holten wir aus den minenverseuchten Gewässern und sehr oft waren diese Unternehmungen mit größter Gefahr verbunden. Gar manches Mal hatten wir schon mit dem Leben abgeschlossen und die Hand am Hebel, der unser Boot in die Luft sprengen sollte, ehe es in feindliche Hände fiel. Im Krieg muss man sehr viel Glück haben und ich kann wohl sagen, ich hatte es. Das Ende des Krieges war für mich und viele aufrechte Kameraden deprimierend, denn die Revolution war wirklich ein unwürdiger Schluss. Ich mag heute noch nicht daran denken.


Schmerzlicher Abschied von der Kriegsmarine

Immerhin blieb ich bis Kriegsende auf meinem Schiff. Als aber eines morgens die "Rote Fahne" gehisst wurde, hatte ich dort nichts mehr zu suchen, denn diese Revolution war der Todesstoß für unsere ruhmreiche Marine. Meine Besatzung beschwor mich, doch an Bord zurück zu kommen, aber dazu konnte ich mich nicht entschließen. Als sie merkten, dass ich nicht zurückkommen würde, brachte sie mir eines Tages meinen Offizierswimpel und die Kriegsflagge ins Haus.

Nun ging alles sehr schnell. Ich wurde aus dem Marinedienst entlassen, wenn man unter dem roten Regiment überhaupt noch von Entlassung sprechen konnte und kehrte zu meiner alten Reederei zurück, der ich mein ganzes Leben lang treu blieb. Auch meine Reederei hatte im Krieg viele Schiffe verloren, darunter auch meine geliebte "Suomi", die in der Ostsee von einem russischen U-Boot in Brand geschossen worden und versunken war. Zwei von den Schiffen, die uns noch verblieben waren, und zwar "Wandrahm" und "Brook", mussten an die Engländer abgeliefert werden, und wir selber hatten sie nach Firth of Forth zu bringen. Den Dampfer "Wandrahm" habe ich rüber bringen müssen, er wurde auf Leeth Reede von den Tommys übernommen.

Unsere Besatzung wurde auf einer Hulk interniert und wir wurden wie Gefangene behandelt. Unwürdig haben sich die Engländer uns gegenüber benommen und irgendwie kann man das nie vergessen. Nach drei Wochen, sie hatten immerhin zirka 390 deutsche Zivilisten zusammen, die Schiffe rüber bringen mussten, wurde ein Transport zusammengestellt, der unter Polizeibegleitung nach Edinburgh befördert wurde. Die Bevölkerung benahm sich unglaublich, bespuckte uns, bewarf uns mit Unrat und rief uns Schimpfworte nach. Man kann das nicht beschreiben. Von Edinburgh ging es in einem verschlossenen Zug, mit herabgezogenen Gardinen nach Grimsby und von dort aus sollten wir nach Hamburg zurückgeschickt werden. Die Behandlung war einfach nicht zu verstehen, denn der Krieg war lange zu Ende. Nun, unser Gepäck war von Edinburgh nicht mitgekommen und so weigerten sich die Deutschen, an Bord zu gehen. Sie wollten ohne ihr Gepäck nicht fahren. Die Engländer stellten das Ultimatum, entweder an Bord gehen oder wieder eingesperrt werden. Es war ein richtiger Aufruhr unter den Leuten. Wir hatten eine Kommission gebildet, die mit den Engländern verhandeln sollte. Sie bestand aus vier Kapitänen und ich musste den Sprecher machen. Wir verhandelten dann mit den englischen Offizieren und kamen nach drei Stunden überein, dass das Schiff mit den 270 Mann auf Reede gehen sollte, und die restlichen 30 Mann sollten an Land auf das Gepäck warten. Angeblich sollte das Gepäck mit einer Sonderlokomotive geholt werden, aber wer wusste genau, ob die Versprechungen eingehalten werden würden. Die bisherige Behandlung ließ uns sehr an den Versicherungen zweifeln. Ich warnte noch den Kapitän, ja nicht die Reede zu verlassen, denn die Leute waren zu aufgebracht. Wer weiß, was alles noch hätte passieren können. Um 12 Uhr nachts kamen die Sachen aber dann doch an und wurden mit Leichtern an Bord gebracht. Jeder untersuchte kritisch, ob auch noch alles im Gepäck war. Um drei Uhr morgens wurden dann die Anker gelichtet und wir waren froh, die ungastliche Insel verlassen zu können. Viele viele Schiffe der deutschen Handelsmarine gingen diesen letzten Weg nach England und zuletzt hatten wir nur noch uralte Schiffe in unseren Häfen liegen und das waren auch nur ganz wenige.

Zwischen den Weltkriegen bei H.M.G. - Mittelmeer

Aber die Seefahrt ist ein Lebensnerv und so fuhren wir dann auch bald wieder unsere gewohnten Touren nach Finnland und Schweden. Bis 1926 fuhr ich auf dem Dampfer "Haparanda" und im Ausland konnte ich nach den langen Kriegsjahren manchen alten Freund begrüßen, denn Finnland war ja durch die jahrelangen Fahrten dorthin meine zweite Heimat geworden.

Im August 1926 übernahm ich dann den Dampfer "STUBBENHUK" , einen Neubau der Reederei. Mit diesem Schiff machten wir auch manche Reise nach dem Süden ( Mittelmeer etc.).

Meine Familie wohnte in Wilhelmshaven und immer, wenn mein Schiff in Hamburg oder Bremen war, fuhr ich in die alte Marinestadt, um ein paar Tage bei meinen Lieben sein zu können. Mein Junge schnüffelte dann immer an meinem Gepäck und an meinem Mantel herum und meinte, das alles riecht so schön nach Schiff. Heute ist er Arzt, aber alles was meine Reederei angeht, interessiert ihn noch immer. Meine Familie hat auch manche Reise nach Finnland mitgemacht und mein Sohn fühlte sich dann inmitten der Matrosen am wohlsten, sah aber abends meistens aus, als wäre er den ganzen Tag im Kohlenbunker gewesen und meine Frau hatte dann alle Mühe, ihn wieder einigermaßen sauber zu bekommen. Gern hielt er sich an Bord auch beim Koch in der Kombüse auf, denn der hatte natürlich für ihn immer etwas in Reserve. Wenn die Matrosen den Bengel dann mit dem großen Bordschlauch nass spritzten, war er in seinem Element. Meine Frau machte dann auch noch große Reisen nach Spanien und Italien mit, aber davon später.

Im Frühjahr 1927 machte ich eine Reise über Hull und London, wo wir eine Ladung Pech übernehmen sollten und damit hatten wir dann auch Pech. Die Ladung sollte nach Nizza, aber bei der großen Hitze in Südfrankreich war das ganze Zeug zusammengeschmolzen und klebte eben sprichwörtlich wie Pech. So musste die ganze Ladung mit Haken losgeschlagen worden, es war eine mörderische Arbeit. Jedenfalls dauerte der ganze Löschvorgang ungefähr fünf Wochen. Das war natürlich ein unvorhergesehener Aufenthalt und in Hamburg mögen sie nicht schlecht geflucht haben, denn Zeit ist Geld und die Schiffe wurden dringend gebraucht. Ich habe mir aber während der Zeit die herrliche Umgebung angesehen und die Ferien genossen.

Auch in den Spielsälen von Monte Carlo habe ich versucht, die Bank zu sprengen, aber meine anfänglichen kleinen Gewinne blieben am Ende doch in den Händen des Croupiers. Die Rückfahrt an Bord konnte ich aber noch selber bezahlen. Na, bei dem Pech, das wir geladen hatten und das dann zu unserem Pech zusammenschmolz, musste ja das Pech im Spiel kommen, aber wer denkt vorher schon daran…

Die Riviera ist wirklich wunderschön: Cannes, Mentone, Rio Negro und wie die Orte alle heißen. Die Spielsäle waren auch sehr interessant und es machte Spaß zu beobachten, wie die Spieler bei Verlusten sichtlich nervös wurden. Hauptsächlich viele Frauen waren da, die offensichtlich vom Spielteufel besessen waren. Im Mai 27 bekam ich von unserm Charterer - das Schiff war nämlich von einem englischen Kaufmann gechartert worden - die Order, in Ballast nach Ibiza zu fahren. Ibiza ist eine kleine wunderschön gelegene Insel, der Hafen eine bezaubernde Bucht ohne die üblichen Hafenanlagen, die oft so nüchtern und unschön sind. Als Urlaubsziel ist Ibiza heute schon weltbekannt. Dort erhielt ich eine weitere Order, nach Rivadeo (Nordspanien) zu reisen. Auf unserer Seekarte konnten wir aber nicht herausbekommen, wo Rivadeo liegt. Ich musste mir dann erst an Land genaue Auskunft holen und als alles geklärt war, wurden die Anker gehievt und die Fahrt konnte losgehen. 2.400 Seemeilen mussten wir zurücklegen, um nach Rivadeo zu kommen. Das Wetter war gut, nur die Biskaya machte eine Ausnahme. Da stürmt es aber meistens, das wurde auch schnell wieder vergessen. Am 26. Mai trafen wir dann in Rivadeo ein. Eine kleine Bucht im freien Atlantik dient als Hafen. Dort sollten wir eine Erzladung übernehmen. Von weither kamen Besucher, das schöne saubere Schiff ansehen, denn die meisten Erzdampfer sahen recht schmutzig aus, während unser weiß gestrichenes Schiff in der Sonne nur so glänzte.

Wir nahmen auch ungern Erzladungen an Bord, es war hier das erste Mal. Das Zeug staubt fruchtbar und dringt in die entferntesten Ecken und man hat viel Last, so ein Schiff nachher wieder sauber zu bekommen. Wir mussten hier nun aber, weil nur ein Ladeplatz vorhanden war, warten, bis der andere Dampfer beladen war. Das dauerte drei Tage und als wir glücklich an der Reihe waren, lag unser Ladeplatz direkt am Eingang der Atlantikbucht, also verhältnismäßig ohne Schutz von Land. Ein Glück war es, dass das Wetter ruhig war, sonst hätte man mit unangenehmen Zwischenfällen rechnen müssen. Bei nördlichen Winden ist es unmöglich, dort ein Schiff zu beladen. Der Lotse war rein alles in einer Person: Lotse, Hafenkapitän, Makler, Agent, Bootsmann und Schiffshändler. Telegraf und Telefon gab es dort nicht. Die Ladung wurde aus 10 Meter Höhe je 10 Tons ins Schiff geschüttet. Man kann sich wohl denken, wie viel Staub es da zu schlucken gab. Wir waren jedenfalls alle heilfroh, als wir nach vier Ladetagen endlich in See stechen konnten.

Ich selber hatte während der Hafentage keine Minute Ruhe, immer war ich in Sorge, die Atlantikdünung könnte unsere Trossen zerreißen, denn dann wäre nämlich unser Schiff in großer Gefahr gewesen. Ja, so ist bei der Seefahrt immer etwas los, aber mein Glück hatte mich auch dieses Mal nicht verlassen.

Im Juni dampften wir dann wieder gegen England, nach Immingham. So eine Erzladung ist das Übelste, was man sich denken kann, denn die Ladung ist unberechenbar und bei schlechtem Wetter nicht ungefährlich. Wir waren alle froh, als wir das Zeug wieder von Bord hatten, uns hatte diese Reise gelangt. Als wir unsere Ladung gelöscht hatten, fuhren wir den Bumber herauf nach Goole, auch wieder ein Platz, der von Schiffsführern nicht sehr geschätzt wird, denn bei Springtide läuft da bis neun Kilometer Strom, so dass man mit einem langsamen Schiff gar nicht erst den Versuch machen braucht, dagegen zu fahren. Man könnte die unangenehmsten Überraschungen erleben. Mein Reeder nahm nach Möglichkeit keine Fracht an, die für diesen Hafen bestellt war. Wir hatten aber Glück und kamen mit einer Tide den Humber hinauf, aber so eine Fahrt geht der ganzen Besatzung auf die Nerven. Wir luden Kohlen für Gent.
Am nächsten Morgen vor Hochwasser wurden wir durchgeschleust und waren heilfroh, als wir dann nachmittags die freie See erreicht hatten. Mir fiel ein Stein vom Herzen, aber bei der Seefahrt gibt es verschiedene Sachen, die einem nicht zusagen, so auch die Barre bei Opotto, trotzdem muss man die Häfen anlaufen, wenn es verlangt wird.

In Ballast dampften wir von Goole nach Hamburg, die Timecharter war am Ende, aber unterwegs hatten wir noch Mühe genug, unser mitgenommenes Schiff wieder auf Hochglanz zu polieren, denn der Stolz einer jeden Reederei und des Kapitäns ist nun mal ein schmuckes Schiff. Unsere Passagiere meinten immer, hier wird wohl nur gepinselt und gestrichen, so viel Farbe gibt es ja gar nicht auf einmal.

Auf vielen Reisen hatte ich Passagiere mit, meistens gute Freunde des Reeders, den Reeder selbst oder auch die Mitarbeiter der Firma. Sie alle brauchten ja auch einmal Erholung und wollten auch gerne die Schiffe kennen lernen, für die sie hinter dem Kontorschemel arbeiteten und dafür sorgten, dass der ganze Betrieb wie am Schnürchen lief. Man könnte nun von all diesen Reisen sehr viel erzählen, denn es wurde auf solchen Reisen doch manches nette Fest gefeiert und mancher Ulk getrieben, aber wir waren ja auch noch nicht so alt wie heute. So gab es z.B. die Lebensrettung eines über Bord gefallenen Freundes, der auf dem schwankenden Boot des Gleichgewicht verlor. Dass eine kleine Feier vorausging, will ich nicht verschweigen, aber es war trotzdem keine unerlaubte Spritztour, denn die Frau des armen Opfers war auch dabei. Jetzt, nach vielen Jahren sprechen und lachen wir noch gerne über das nette Fest und das unverhoffte Bad ist auch noch nicht vergessen. Wenn ich aber alle meine Erlebnisse schildern wollte, die ich so im Laufe meiner langen Fahrenszeit gehabt habe, käme ich mit meinen Aufzeichnungen nie zu Ende. Eines ist aber sicher, keine Stunde meiner Fahrenszeit möchte ich missen, sie waren trotz Sturm und oft kritischen Situationen im ganzen genommen eigentlich immer schön. Zu Hause nennt man mich den unsterblichen Optimisten, aber ich bin mit meinem Optimismus immer gut gefahren.

Mit der "WANDRAHM" auf stürmischer Fahrt

Am 1.12.1929 wurde mir unser neustes und größtes Schiff, die "WANDRAHM" anvertraut. Wieder ging es auf Fahrt in meine zweite Heimat. Alle drei Wochen war ich dann vier Tage zu Hause und so wechselte das im steten Gleichmaß.

Im Januar 1935 machten wir eine Reise für Sloman, von Hamburg über Rotterdam, Le Havre mit Stückgütern nach Malaga, Almeria, Cartagena, Alicante, Valencia, Tarragona, Barcelona, St.Filou, Marseille, Toulon, Genua, Livorno, Neapel, Savona und nach Hamburg zurück. Diese Reise machte meine Frau mit und für sie war diese Fahrt in mehr als einer Hinsicht denkwürdig, aber ich will der Reihe nach erzählen.

In Malaga lagen wir drei Tage und wir hatten Zeit, manchen schönen Ausflug zu machen und Gelegenheit, recht viel zu sehen. Mir machte es Freude, meiner Frau alle Sehenswürdigkeiten zeigen zu können. Wir fuhren auch einen Tag nach Granada, wo gerade die Mimosen blühten. Man fuhr fast die ganze Strecke unter blühenden Mimosen hindurch und der Duft war fast betäubend. Dass meine Frau, die Blumen über alles liebt, mit einem Arm voll Mimosen an Bord zurückkam, versteht sich von selbst.
Fast in jedem weiteren Hafen waren wir Gäste der Konsuln oder der Geschäftsfreunde der Reederei. Die Spanier waren uns gegenüber immer außerordentlich gastfreundlich. Meine Frau streifte auch häufig allein in der Gegend herum und ging auf Entdeckungsreisen. In Barcelona lagen wir mit unserem Schiff wieder drei Tage und auch hier gab es besonders für meine Frau viel zu bewundern. Dass es nicht ohne Einkäufe abging, war vorauszusehen, denn welche Frau kauft im Ausland nicht gerne Andenken ein und es macht dann viel Spaß, wenn die erhandelten Sachen billiger waren als in der Heimat.

Zirka hundert Kilometer weiter lag unser nächster Hafen, St. Filou. Wir waren uns darin einig, dass es wohl der romantischste Hafen unserer bisherigen Reise war. Der Hafen lag in einer winzig kleinen Bucht, in der jeweils nur ein Schiff liegen konnte. Der Blick in die Weite war einfach überwältigend und wir wären gerne etwas länger in St. Filou geblieben, aber wir waren leider nicht auf einer Vergnügungsreise, d.h. ich nicht, und so war die Zeit dort bald verstrichen. Wir luden Kork.

Weiter führte uns die Reise über den Golf von Lion nach Marseille. In der Winterzeit weht in Golf der Pompero, häufig ein furchtbarer Orkan. 24 Tage im Monat kann man damit rechnen, diesem Sturm zu begegnen. Er weht immer aus NW. Man muss da sehr vorsichtig fahren und möglichst in der Nähe der Küste bleiben. Der Wind setzt ganz plötzlich ein und entwickelt sich in ganz kurzer Zeit zum Orkan, der die See so in Bewegung bringt, dass die Wellen sich zu riesigen Wellenbergen auswachsen. Die Seen laufen denn wild durcheinander. Nun, das Wetter war schön und so dachte ich mir, laufen wir die 90 Meilen nach Marseille glatt über den Golf von Lion, dann haben wir drei Stunden Zeitersparnis. Nach einer halben Stunde aber - wir waren 15 Seemeilen von der Küste entfernt - setzte plötzlich eine hohe Dünung ein. Das war das Zeichen, dass uns der Orkan bald erreicht haben würde. Ich drehte schnell wieder bei und nahm Kurs Küste, da hatten wir dann Schutz von Land. Richtig, nach einer viertel Stunde setzte der Sturm ein, wir machten nur drei Seemeilen die Stunde gegenan und brauchten fünf Stunden, um unter der Küste in ruhigeres Wasser zu kommen. Der Sturm hält in der Regel nur 12 Stunden an und verschwindet genau so schnell wie er gekommen ist. Unter der Küste war von dem Seegang nichts zu merken, aber die Gischt ging über das ganze Schiff und war zeitweise 20 Meter hoch. Der Golf von Lion hat schon so manches Opfer gefordert.

Bei schönstem Wetter kamen wir in Marseille an. Nun, die Stadt ist ja hinreichend bekannt, aber für meine Frau war sie doch interessant und besonders die Geschäftsstraßen waren für sie ein Anziehungspunkt. Wir hatten in Marseille zwei Tage Aufenthalt, dann ging es weiter nach Lion und nach sechs Stunden dampften wir weiter nach Genua. Wir fuhren zwischen den Hyeres und dem Festland ganz an der Riviera vorbei und meine Frau blieb eisern auf der Brücke, um diesen schönen Anblick genießen zu können. An 28.2. waren wir in Genua und hatten dort Zeit bis zum 2.3. Diese Liegezeit wurde dann auch ausgenutzt und kein Tag verging, an dem nicht irgend etwas unternommen wurde. Wir besichtigten den Campo Santo, der wirklich sehenswert ist. Die marmornen Mausoleen und die Monumente kann man nicht beschreiben, es ist einfach unvorstellbar. Wir streiften den ganzen Tag in Genua herum und haben so ziemlich alles gesehen, was man sich ansieht, wenn man nach Genua kommt. Unser nächsten Ziel war dann Savona, eine reizende Stadt von Bergen umgeben. Es ist klar, dass wir uns auch hier alle Schönheiten der Natur ansahen, aber leider war auch dort die Zeit nur sehr knapp bemessen. Unsere Ladung bestand aus Reis, der für Hamburg bestimmt war. In Valencia waren wir dann am 6. März. Hier wurden Apfelsinen und Zitronen geholt.

An dieser Stelle will ich noch mal eben ein kleines Erlebnis erzählen. Wir Schiffsführer leisten uns untereinander auf unsern Reisen schon mal ein kleines Privatvergnügen, man kann es auch Wettstreit nennen. Also auf der Rückreise lagen wir mit dem Hamburger Dampfer "Anita Russ" in Savona im Hafen. Wir wurden auch gleichzeitig fertig und verließen zusammen unsere Liegeplätze. Vorher hatten wir bei einem gegenseitigen Bordbesuch unsere Fahrtroute besprochen und ich sagte meinem Kollegen von der Konkurrenz, dass ich die Küste ansteuern würde, aber er wollte schneller sein als H.M.G. und eine andere Route nehmen, die ich vorhin schon beschrieb. Wir passierten nun auch zur gleichen Zeit die Hyeres, also die Inselgruppe an der Ecke von Lion, wo der Golf anfängt. Das Wetter war ganz herrlich, nur die Sonne hatte einen so merkwürdigen Schein, irgendwie trügerisch. Nun, ich fuhr mit meinem Schiff wie geplant die Bucht aus, während mein Freund und Fahrensmann von der Konkurrenz den direkten Kurs auf San Sebastian (Spanien) ansteuerte. Er hatte nun mal den Ehrgeiz, die Firma H.M. Gehrkens um eine Nasenlänge zu schlagen. Was ich erwartet hatte, trat dann ein. Der Sturm setzte mit voller Stärke ein und die Wellen türmten sich zu Bergen. Ich fuhr lustig meinen geplanten Kurs und kam nach 46 Stunden, am 6. März in Valencia an. Wir konnten auch gleich anfangen, unser Schiff mit Apfelsinen zu beladen, aber von "Anita Russ" war weit und breit nichts zu sehen. Am 9.3., wir waren gerade fertig, da schlich "Anita Russ" mit vielen Sturmschäden in den Hafen von Valencia. Die ganze Ladung war durcheinandergeschüttelt worden und sie hatten allein zwei Tage zu tun, um die Ladung wieder zurecht zu stauen. Alles in allem fünf Tage Verspätung, weil die "Anita Russ" der "Wandrahm" eins auswischen wollte. Ich habe natürlich im Stillen geschmunzelt und freute mich, das Spiel eins zu null für H.M. Gehrkens gewonnen zu haben.

Auch in Gandia holten wir noch Apfelsinen. Wir konnten dort nicht lange bleiben, denn die Früchte durften nicht zu lange der Wärme ausgesetzt sein, sie mussten ja in Hamburg frisch ankommen. Heute gibt es auf den Schiffen natürlich Klimaanlagen. Wir selbst hatten uns auch schön mit den Südfrüchten eingedeckt und konnten lange davon zehren. Das Obst ist in den Häfen so billig, dass man es fast geschenkt bekommt.

Da wir noch zeitlich einen halben Tag zu vergeben hatten, bekamen wir Order von Hamburg, in Cartagena auch noch 1.000 Kisten Apfelsinen zu laden. Als wir in Cartagena ankamen, stand die Ladung schon am Kai. Hier musste es ja schnell gehen, denn wir hatten nur einen halben Tag zu vergeben. Es klappte aber alles nach Wunsch und wir konnten nun mit 400 Tonnen Reis und 48.000 Kisten Apfelsinen den Heimweg antreten.

Inzwischen war aber auch unser Kohlenvorrat ziemlich zusammengeschmolzen und so beschlossen wir, Ceuta anzulaufen und dort unsern Bestand aufzufüllen. Aber wie es so manchmal kommt, als wir in Ceuta ankommen, streikten dort die Bunkerleute und wir konnten dort nichts bekommen. Ich machte kehrt und dampfte nach Gibraltar, wo wir Kohlen übernehmen konnten. Jetzt freuten wir uns alle auf die Heimreise und auf Hamburg.

Das Wetter konnte nicht schöner sein und das Mittelmeer war fast zu spiegelglatt, aber bei so ruhiger See macht die Seefahrt Freude, man kannte das Wasser aber auch von einer anderen Seite. Die Atlantikdünung steht natürlich immer da, aber daran gewöhnt man sich schnell. Am 15.3. passierten wir Kap Vincent, gaben Flaggensignal und telegrafierten unsern Standort nach Hamburg. Über das Wetter konnte man wirklich nicht klagen, leichter achterlicher Wind, Barometerstand 752 mm aber fallend, das meldete am 11. morgens der 1. Offizier. Ein gutes Zeichen war das gerade nicht und man musste damit rechnen, dass ein Tief im Anzug war. Wetterberichte, wie sie heute üblich sind, gab es nicht. Nachmittags passierten wir Kap Finistere, meldeten wieder durch Flaggensignal und Telegramme an Nautik unsern Standort. Am Signalmast hing ein Schwarzer Ball, damit zeigte die Signalstation Sturmgefahr an. Wir mussten aber weiter. Die Dünung nahm ständig zu und nachts hatten wir schon Windstärke neun. Da der Wind aber von achtern kam, machten wir gute Fahrt. Unser Barometer fiel jedoch immer weiter.

Die See war hoch und unsere "WANDRAHM" nahm schon viel Wasser über, obwohl sie gut beladen war. Viele Schiffe, denen wir begegneten, hatten schon beigedreht, d.h. sie lagen gegen den Wind und fuhren mit verminderter Kraft. Aber der Wind nahm zu, Barometerstand 723, die Wellen waren unvorstellbar hoch, wie selbst ich sie selten sah. Meine Frau war als einziges weibliches Wesen an Bord und uns allen tat es leid, dass wir ihr diese Fahrt nicht ersparen konnten. Unser Schiff arbeitete schwer und pausenlos kamen schwere Brecher über Deck und Luken. Immer weiter fiel das Barometer, wir mussten bald im Zentrum des Wirbels sein. Abends um sieben Uhr, Barometerstand 718 mm, der niedrigste Stand, den ich je erlebte. Plötzlich war alles ruhig, nur das Heulen von allen Seiten war zu hören. Es dauerte nur 15 Minuten, da setzte der Sturm mit einer Stärke von 12 aus Nordwest mit unverminderter Kraft wieder ein und eine wild durcheinanderlaufende See machte alles noch schlimmer, als es schon war. Der Sturm heulte so stark, dass man sich nicht mehr verständigen konnte und die Gischt hüllte das Schiff bis über die Masten ein. Da der Wind nun querab war, lag unser gutes Schiff mehr unter als auf dem Wasser.

Wir drehten bei, d. h. legten das Schiff gegen den Wind und dampften mit halber Fahrt, lagen aber auf der Stelle. Die Fahrt wurde vermindert, um dem schweren Druck der See zu entgehen. Meine Frau lag im Kartenhaus auf dem Sofa, seekrank war sie nicht, aber ich glaube, sie hat die ganze Zeit gebetet: "Herrgott, lass uns aus dieser Hölle noch einmal herauskommen." Sie war aber sicher nicht die einzige, die an diesem Tag unsern Herrgott angefleht hat, wir alle haben genau so inbrünstig gebetet, Gott möge uns doch helfen. Zugegeben hat es nachher niemand, aber ich selber war überzeugt gewesen, dass nur noch Hilfe von oben kommen könne.

Es war der schlimmste Orkan, den ich jemals während meiner Seefahrtszeit erlebte und die Fahrten um Kap Horn waren dagegen die reinsten Alsterfahrten. In den Zeitungen stand später, es sei der schwerste Orkan seit 35 Jahren gewesen. Als der Wind auf NW gedreht hatte, fing das Barometer wieder an zu steigen und zwar ziemlich schnell. Das war das Zeichen dafür, dass das Schlimmste überstanden war. Bis 22 Uhr hielt der Sturm aber noch an, um 1 Uhr ging der Mond auf, es wurde klarer und der Wind ging auf Stärke neun herunter. Es lief zwar noch immer eine hohe See, aber die Brechseen wurden weniger und man hatte wieder etwas mehr Sicht. Mutti ging nun auch in die Kajüte und legte sich hin, sie war ziemlich erschöpft von den ausgestandenen Ängsten. Wir Männer auf der Brücke waren total durchnässt und salzverkrustet, die Augen waren geschwollen müde, das kann man wohl sagen, müde waren wir zum Umfallen. Früher gab es noch nicht die geschlossenen Brücken und man war jeder Witterung ausgesetzt. Dass wir uns angeseilt hatten, um nicht über Bord zu gehen, war selbstverständlich, denn die Gewalt einer schweren See, kann Tonnenlasten wie Streichholzschachteln hochheben. Für uns war aber immer noch keine Zeit, sich etwas Ruhe zu gönnen, es gab noch unendlich viel zu tun.

Erst gegen Morgen flaute es mehr und mehr ab, nun konnten wir endlich unsern Kurs wieder aufnehmen und hatten auch bald nur noch Windstärke vier. Am 20.3. passierten wir Ouessant, die NW Spitze von Frankreich. Das Wetter war wieder schön und die See ruhig. Durch den englischen Kanal ging es weiter und am 23.3. kam Helgoland in Sicht. Abends passierten wir Cuxhaven und da wir mit der Tide elbaufwärts fuhren, kamen wir früh um vier Uhr in Hamburg an. Nun wurde alles besichtigt, denn es hätte ja sein können, dass das Schiff durch den Sturm zu Schaden gekommen wäre, aber alles war tadellos erhalten und das wurde lobend anerkannt. Dabei hätten wir es bestimmt nichts ändern können, wenn Schäden aufgetreten wären, denn gegen höhere Gewalt kann niemand an.

Am 27. März wurde unser Schiff dann von Sloman wieder an H.M.G. zurückgegeben. Meine Frau denkt aber noch heute an die schreckliche Sturmfahrt zurück und die Biskaya ist ihr nicht geheuer. Wenn ich später bei Sturm auf See war, machte sie sich nun immer besonders viel Sorgen, weil sie sich nun vorstellen konnte, was Sturm bedeutet, aber ich habe nie wieder ein solches Unwetter erlebt. Meine Familie machte später noch manche Seereise mit, aber meist hatten wir dann das schönste Wetter.

Finnland / Russland

Nach dieser Sturmfahrt wurden die Tourenfahrten nach Finnland wieder aufgenommen. Dort freute man sich immer, wenn Hannes mal wieder aufkreuzte und an Bord war dann auch immer etwas los. So fanden sich z.B. zur Zeit des Alkoholverbotes stets durstige Seelen an Bord ein und für die guten Freunde war auch immer irgendein guter Tropfen vorhanden. Manche vergnügte Stunde wurde verlebt und immer wurde auch dieser und jener Streich ausgeheckt. Vor langen Jahren hatte ich einen guten und ziemlich wohlhabenden Freund in Finnland, der, wenn er im Winter an Bord kam, meist einen dicken Pelzmantel trug. Dieser Mantel hatte es mir angetan, den hätte ich gerne gehabt, denn auf der offener Brücke wäre er gerade das richtige Kleidungsstück gewesen. Ich hätte mir ja einen Mantel anschaffen können, aber da tat mir die große Ausgabe leid. Nun, wir waren an Bord eine vergnügte Runde und so im Laufe des Gesprächs fragte ich mal leise an, ob er mir den Mantel nicht verkaufen wolle. Na, in der schon vorgerückten Stimmung erklärte er sich bereit, mir den Mantel zu überlassen und der Handel wurde abgeschlossen. Als er aber nun morgens nach Hause wollte, griff er nach seinem Mantel, aber ich sagte zu ihm: "Soweit kommt das, erst den Mantel verkaufen und dann wieder mitnehmen wollen!" Erst begriff er gar nicht, was ich von ihm wollte, aber schließlich erinnerte er sich, dass er ja eigentlich den Mantel verkauft hatte. Nun wurde gehandelt und ich vermietete ihm den Mantel für den Heimweg, d.h. er musste eine Leihgebühr bezahlen, billig war die Gebühr aber nicht. Er zog nun mit seinem Leihmantel ab, brachte ihn aber prompt am Nachmittag zurück. Wir haben dann noch ein paar Stunden ausgelassen gefeiert. Jahrelang habe ich dann den Mantel an Bord getragen, bis sich die Motten über ihn hergemacht haben.

Hatte ich im Sommer meine Familie auf einer Reise an Bord, wurden in Finnland schöne Touren unternommen. Das Land der tausend Seen hat so viele schöne Plätzchen, dass man immer wieder gerne in dieses Land zurückkehrt. Wir waren am Imatra, haben herrliche Stromschnellenfahrten gemacht, waren Gast bei lieben Freunden auf den Scharen und sahen alles, was Finnland so liebenswert macht. Auch Estland ist uns nicht unbekannt geblieben, aber heute hat der Russe dieses Land, da bleibt es für uns verschlossen. Manchmal mussten unsere Schiffe auch mal andere Routen fahren und so hatte ich verschiedene Aufträge nach Archangelsk.
Im Juni 1935 war einmal solch eine Reise fällig. Wir verließen Hamburg und traten bei schönem Wetter die Fahrt zu den Iwans an. Die Fahrt durch die Lofoten war einmalig schön, die hohen schneebedeckten Berge, die Wasserfälle und überhaupt die ganze Landschaft machte auf uns einen großen Eindruck. Wir fuhren bis zum Nordkap. In den nördlichen Lofoten lebten die Menschen hauptsächlich von ihrem Fischfang. Sie waren äußerst anspruchslos und freuten sich sehr, wenn ihnen mal ein Schiff begegnete, das ihnen ihre Fänge abkaufte, d.h. sie machten Tauschgeschäfte. Man sah auf der Fahrt viele kleine Wasserfahrzeuge. Die Fischer fingen ihre Fische meist mit der Angel. Wir bekamen für eine Flasche Schnaps billigster Sorte (wir nannten das Zeug nur Dynamit) und für ein halbes Pfund Tabak zirka 500 Pfund Fische. Es klingt übertrieben, aber es ist Tatsache. Die Bevölkerung der Lofotengegend war sehr arm, aber die Menschen waren trotzdem zufrieden. Von Politik und dem großen Weltgeschehen hörten sie kaum etwas, vielleicht waren sie deshalb glücklicher als wir. Da wir auf dem Weg nach Russland waren und wussten, dass es dort nicht viel zu kaufen gab, haben wir uns auf diesem Wege einen kleinen Proviantvorrat angeschafft, die Fische eingesalzen und so konserviert.

Als wir auf der Höhe den Nordkaps waren, wurde der Lotse bei einer kleinen Insel abgesetzt. Er blieb dann dort, bis wir ihn auf der Rückreise wieder an Bord holten. Dunkel wurde es überhaupt nicht, denn wir hatten die Zeit der Mitternachtssonne. Natürlich blieb man nachts immer viel länger auf, denn durch die durchgehende Helle wurde man gar nicht müde und es gab auch zu viel Schönes zu sehen.

So wurde dann die Reise fortgesetzt bis wir den Bestimmungshafen erreicht hatten. Wir waren also in Russland. Im Hafen fand dann auch gleich eine strenge Untersuchung statt, denn Misstrauen war dort an der Tagesordnung. Alle mussten an Deck antreten, nur ich als Kapitän durfte in meiner Kajüte bleiben. Alles musste ab- und angegeben werden, die kleinste Kleinigkeit. Meine Frau hatte an Bord einen alten Mantel zurückgelassen, den sie an Deck anzog, wenn schlechtes Wetter war. Dieser Mantel erregte nun das Misstrauen der Untersuchungskommission. Wo ein Frauenmantel war, musste auch eine Frau sein, meinten sie, und nun wurde jede Ecke und jeder Winkel untersucht, um die zu dem Mantel gehörende Frau zu entdecken. Natürlich konnten sie keinen Erfolg haben, denn es war ja wirklich keine Frau an Bord. Na, eine Frau war nicht da, also nahmen sie den Mantel mit. Drei Tage dauerte es, bis sie das gute Stück zurückbrachten und 100 Rubel Strafe musste ich obendrein auch noch bezahlen, weil ich den Mantel nicht angegeben hatte. Ich hatte aber wirklich nicht daran gedacht. Es ist bestimmt kein Vergnügen, mit den Russen zu verhandeln. Die Mannschaft durfte im Hafen keinen Schritt an Land gehen und das Schiff wurde dauernd bewacht. Wenn ich an Land zu tun hatte, wurde ich auf Schritt und Tritt verfolgt, unauffällig meinten sie wohl, aber ich habe es doch gemerkt. So geht doch nichts über die Freiheit, aber die hat man in Russland nicht.

Leid tat es uns, zusehen zu müssen, wie die Frauen die schwere Arbeit des Löschens und Ladens verrichten mussten. Zirka 80 Frauen waren in den Laderäumen beschäftigt, aber die Arbeit ging langsam voran, weil diese Tätigkeit für Frauen viel zu schwer war. Am 4. Juli hatten wir aber unsere Holzladung im Schiff. Vor unserer Ausreise erfolgte noch einmal die gleiche Untersuchung wie vorher, sie fanden aber nichts mehr und wir konnten endlich abdampfen. So ein russischer Hafen ist irgendwie nicht ganz geheuer und wir atmeten auf, als wir wieder auf See waren. Am 12. Juli holten wir am Nordkap unsern Lotsen wieder ab. In Hagstad mussten wir noch Bunkerkohlen übernehmen, dann ging es heimwärts.

Am 16. kamen wir in Altona an, dort sollte ein Teil der Ladung gelöscht werden, den Rest der Ladung brachten wir nach Stadersand bei Stade. Auf der Elbe mussten wir erst noch ankern, weil man nur bei Hochwasser in die Schwinge kommen konnte. Es war an einem Sonntag und das herrlichste Wetter, als wir am Ziel ankamen. Halb Stade stand auf dem Deich, denn ein so großes Schiff war noch nie in Stadersand, da gab es natürlich was zu sehen und zu bestaunen. Der Wirt Brummer machte an dem Tag ein besonders gutes Geschäft.

Am 27. Juli dampften wir nach Cuxhaven um dort Bunkerkohlen aufzunehmen und machten uns anschließend gleich auf die Reise nach Onega am weißen Meer. Dort kamen wir am 12. August an. Wieder die verrückten Untersuchungen und das grenzenlose Misstrauen, wieder die vielen Frauen, die die schwere Arbeit verrichten mussten. Da wir aber im Hafen wegen des niedrigen Wasserstandes nur einen Teil der Ladung übernehmen konnten, mussten wir auf Reede gehen, fast 10 Meilen von Land ab und dort wurde dann der Rest der Ladung an Bord genommen. Die Arbeiter und Frauen blieben die Zeit über an Bord. In großen Kesseln, die die Russen selber mitbrachten, wurde für die Leute gekocht, hauptsächlich eine dünne Gemüsesuppe ohne Fleisch, also ganz armselig. Über den Abfall, den unser Koch an Deck schüttete, fielen die Frauen wie ausgehungerte Wölfe her, da blieb aber auch kein Krümel übrig. Klar, dass der Koch die sogenannten Abfälle mit kräftigen Fleischstücken würzte. Uns taten die Menschen furchtbar leid, aber es war strengstens verboten, den Russen etwas anzubieten. Heimlich haben wir ihnen aber doch immer etwas zukommen lassen, die Abfälle waren in Wirklichkeit keine. Die armen Menschen spürten auch die Absicht und waren dankbar dafür. Man mochte die hungrigen Augen aber nicht mehr sehen und uns schmeckte unser Essen auch schon nicht mehr, wenn wir an das Elend dachten.

Um meine Papiere bei der Agentur in Ordnung zu bringen, fuhr ich eines Tages mit einem Boot an Land. Stadt konnte man den Ort kaum nennen. Postamt, Telegrafenamt oder so etwas wie ein Telefon gab es nicht. Die nächste Post hätte man mit einem Pferdefuhrwerk vielleicht in 24 Stunden erreichen können. Genau 24 Stunden brauchten ich auch, um meine Papiere in Ordnung zu bekommen. Wollte ich nun aber an Bord zurück, so dauerte es eine Ewigkeit, bis sich ein Fischer bereit erklärte, mich auf mein Schiff zu bringen, gegen hohe Bezahlung natürlich.

Auch jetzt waren wir froh, dass wir endlich unsere Rückreise antreten konnten und dankten Gott, dass wir nicht gezwungen waren, in diesem Land der Knechtschaft und Unterdrückung leben zu müssen. Unsere Ladung ging nach Hull und dann fuhren wir nach Hamburg. Es geht nichts über den Heimathafen und wenn man in fremden Ländern war, freut man sich immer wieder auf das heimatliche Bild unserer schönen Hansestadt Hamburg.

Bis 1937 wurde dann die Tourenfahrt wieder aufgenommen, Hamburg-Helsingfors-Kotka. Da wir Post und Tourendampfer waren, hatten wir immer unseren bestimmten Liegeplatz, z.B. in Helsingfors direkt am Marktplatz vor dem Palais des Staatspräsidenten. Die Abfertigung lief wie am Schnürchen, denn alles war von See aus schon vorbestellt. Wir hatten nämlich als erstes Schiff der Reederei drahtlose Telegrafie an Bord.

Das Funkpatent

Mein Funkpatent bekam ich verhältnismäßig schnell, so etwa wie bei der Marine. Ich hatte verschiedene Herren von der Debag an Bord, die den neuen Apparat überprüften und da haben wir uns über das abzulegende Examen unterhalten. Bei Ankunft in Hamburg ging ich gleich, wie ich es mit den Herren der Debag verabredet hatte, zum Postkontor, um dort meine Prüfung zu machen. Ich hatte mich auf der Reise bereits mit der ganzen Geschichte vertraut gemacht und kannte den Apparat schon ziemlich genau. In einer Viertelstunde hatte ich mein Diplom in der Tasche, bezahlte die Gebühr von sechs Mark und damit war der Fall ausgestanden. In einem netten Weinlokal haben wir zur Feier des Tages noch ein kleines Frühstück eingenommen und dann konnte ich hoch befriedigt abziehen. Als ich anschließend zu meinem Chef kam, meinte er, ich müsse mich nun aber erst mal tüchtig auf den Hosenboden setzen, denn so eine Prüfung wäre gar nicht so einfach, es würde da viel verlangt. Als ich dann schmunzelnd mein Patent aus der Tasche zog und es ihm zeigte, wollte er es erst gar nicht glauben und war einigermaßen platt. Unser Prokurist, der in der Nähe stand, rief: „Schiebung". Wie ich die Sache gefingert habe, um so schnell an mein Patent zu kommen, habe ich aber nicht verraten. Hauptsache war ja nur, dass ich es hatte.

Der zweite Weltkrieg

Im August hatte ich zwei Passagiere mit, und zwar unseren Dr. Höpfner und noch einen Doktor, der Name ist mir entfallen. Beide Herren waren Reserveoffiziere. Am 31. August, es sah politisch schon sehr kritisch aus, dampften wir von Kotka ab. Man musste schon recht vorsichtig fahren und sich immer in Küstennähe halten, denn jeden Augenblick konnte der Krieg ausbrechen. Am 2. September 1939 hörten wir über Stockholm-Radio, dass der Krieg ausgebrochen war. Ich hielt gleich auf die Schwedenküste zu, um die Hoheitsgrenze zu erreichen. Meine beiden Passagiere hatten natürlich auch Sorge, dass sie eventuell gekapert werden könnten. Wir dampften von Kalmarsund nach Süden, als wir am Horizont Schiffe sahen. Meine beiden Reserveoffiziere meinten, das könnten polnische Zerstörer sein, und dachten schon daran, auszusteigen. Die Flagge konnten wir zwar nicht ausmachen, aber ich sah doch, dass es Schweden waren. Ich sagte aber nichts und unseren beiden Doktoren fiel ein Stein vom Herzen, als sie es dann auch feststellten. Darauf wurde dann ein Schluck genommen. Man wollte schließlich nicht gerne in Kriegsgefangenschaft geraten, ehe der Krieg begonnen hatte. Wir kamen aber am 4. September glücklich in Hamburg an und konnten beruhigt an Land gehen.

Nun hatte erst mal der Krieg das Regiment und so wurde unser Schiff auch gleich von der Marine beschlagnahmt. Es sollte als Hilfskreuzer umgebaut werden. Ich musste meine brave "WANDRAHM" nach Kiel auf die Howaldtswerft bringen, wo der Umbau vorgenommen werden sollte. Um den Umbau zu leiten und zu beaufsichtigen, musste ich an Bord bleiben, denn ich war ja auch Reserveoffizier. Es wurde nun feste an dem Schiff herumgebaut, zwei Torpedorohre kamen ins Zwischendeck und vier 8 cm Kanonen an Deck. Die "Wandrahm" sollte als Tarnschiff Dienst tun, aber es stellte sich dann später heraus, dass sie nicht schnell genug war. Als Kommandant kam ein jüngerer Kapitän Lt. an Bord, er sollte den Oberbefehl an Bord haben. Ich hätte dann diesem Jüngling unterstanden. Das passte mir aber ganz und gar nicht, denn ich hatte schließlich auch meine Erfahrungen, war einmal Gruppenführer der Nordseevorpostenflottille und fühlte mich durch dieses Ansinnen doch sehr in meiner Ehre gekränkt. Ich fuhr noch einige Probefahrten mit, um dem Kommandanten zu zeigen, wie so ein Schiff mit einer Schraube manövriert wird und verließ dann am 27.9. ziemlich bedrückt mein gutes schönes Schiff.

Sofort meldete ich mich wieder bei meiner Reederei, aber schon nach kurzer Zeit wurde ich wieder von der Marine angefordert und kam als Prisenoffizier nach Swinemünde. Dort war ich dem Admiral Hinse unterstellt. Wir waren in vier Gruppen eingeteilt, jede Gruppe bestand aus einem Kapitän der Handelsmarine, einem Schiffsmakler und einem Fachmann der Spionageabwehr. Unsere Kreuzer hatten die Aufgabe, fremde Schiffe, die in der Nord- oder Ostsee angetroffen wurden, aufzubringen und zur Untersuchung nach Swinemünde zu geleiten, sozusagen als Prise. Hier wurden die Schiffe untersucht, denn auch unter der neutralen Flagge konnten sich feindliche Fahrzeuge befinden. Waren die Papiere in Ordnung und die Nationalität festgestellt, konnten die neutralen Schiffe natürlich ihre Fahrt fortsetzen, aber so manches Schiff war doch ein guter Fang.

Eines Tages brachte man uns einen estnischen Dampfer und was wir da erlebten, muss ich etwas ausführlicher berichten. Dieses Schiff bekam ich zur Untersuchung. Es war ein Passagierschiff, das 1.000 Ladetonnen hatte und zwischen Reval und Stockholm fuhr. Im April wurde also dieses Schiff von dem Hilfskreuzer "Preußen" bei Dagerort aufgebracht, bekam ein Prisenkommando an Bord und zur Untersuchung ging es dann nach Swinemünde. Mit meiner Gruppe und zehn Soldaten gingen wir dann sofort an Bord und in dem Kapitän entdeckte ich einen alten Bekannten aus Reval, ebenso kannte ich die Stewardessen zum Teil. Die Schiffspapiere waren soweit in Ordnung, nur fehlte die Passagierliste, obwohl 187 Fahrgäste an Bord waren. Wir hatten nun das Recht, das Schiff als Prise zu erklären. Es wurde unter Bewachung gestellt und kein Passagier durfte an Land gehen. Drei Tage dauerte die Untersuchung. Wer einen ordnungsgemäßen Pass hatte, wurde von einer Wache an Land gebracht und bei der nächsten Gelegenheit nach Schweden abgeschoben. Die meisten Passagiere hatten wir schon untersucht und nun ließ sich alles schon besser übersehen.

Um zu versuchen, vielleicht in einem Privatgespräch von dem Kapitän des Schiffes noch für uns wichtige Informationen zu bekommen, hatte ich an Bord ein kleines Frühstück arrangiert. So bei einem Gläschen wird man ja meistens etwas redseliger. Als dann der Kapitän mal für einen Augenblick den Salon verließ, kam die Stewardess zu mir und flüsterte mir ins Ohr, ich möchte doch mal eben an Deck kommen, sie hätte mir etwas zu sagen. Oben angekommen sagte sie leise: "Dieser große Herr mit dem blauen Anzug ist ein Engländer." Na, der wurde nun natürlich genau unter die Lupe genommen, sein Gepäck wurde beschlagnahmt und nun auch die gesamte Ladung untersucht. Der Engländer wurde als feindlicher Ausländer an Land gebracht und unter Bewahrung gestellt. Beim Löschen der Zwischendecks fanden wir 20 große Kollis voller Dokumente, die von Russland über Reval - Stockholm nach England gebracht werden sollten. Hätte die Stewardess - aus welchem Grund sie es tat, weiß man nicht - den Mann nicht verraten, er wäre wahrscheinlich mit seinem Gepäck in England angekommen. Es kommt aber noch besser. Der Engländer selber gehörte zu den Großen der englischen geheimen Staatspolizei. Das Schiff wurde nun natürlich um und um gekehrt und als es bis zum Grund leergemacht war, fanden wir noch 3.000 Kilo Gold in Barren. Junge, Junge, das war ein Fang! Das Gold wurde gleich in Sicherheit gebracht und in England wartete man vergeblich auf den Goldsegen.

Im Juli hatten wir dann mal einen Dänen im Hafen, der auf der Fahrt von England nach Riga war, er hatte Kohlenladung an Bord. Mit dem Kapitän des Schiffes konnten wir nicht klarkommen, er hasste die Deutschen wie die Pest, aber der 1. Offizier war im Gegensatz zum Kapitän ein großer Deutschenfreund. Nun, das hatten wir auch bald raus und machten uns an den 1. Off. ran. Im Laufe der Unterhaltung, die wir in seiner Kajüte führten, wurde er recht redselig und verriet uns, woher sie kamen und wie die Geleitzüge an der englischen Küste zusammengestellt wurden. Er verriet uns außerdem, wo gewisse Bojen lagen und wie alle Fahrrinnen verliefen. Ich ließ mir dann noch die Seekarten aushändigen und nahm sie mit an Land. Für uns war das eine ganz wichtige Sache und mein Admiral freute sich sehr, dass wir auf so einfache Weise so wichtige Informationen bekommen hatten. Natürlich wurde auch dieses Schiff zurückbehalten. Ich schlug dem Admiral vor, den 1. Offz. des Dampfers mit an Land zu nehmen und zum Essen einzuladen. Gesagt, getan und der Offizier wurde auch während des Essens wieder recht mitteilsam und wir erfuhren wieder sehr wichtige Dinge und noch am gleichen Tage musste ein Kurier unsere Mitteilungen nach Berlin bringen. Ein Flugzeuggeschwader wurde dann gen England geschickt. Unsere Flugzeuge trafen dann auch richtig den Geleitzug, 14 große Handelsdampfer, die von mehreren Zerstörern begleitet wurden. Sie waren auf dem Weg nach Russland und wollten die Route übers Nordkap nehmen. Der Geleitzug wurde versenkt, die Zerstörer schwer beschädigt. Der 1. Offizier, der uns das alles verriet, wurde auf Umwegen in die Heimat zurück geschickt.

Bis Dezember war ich noch in Swinemünde, es war ein eiskalter Winter. Da bekam ich aus Berlin Order, mich dort bei der Admiralität zu melden. Ich wurde über meine frühere Tätigkeit bei der Handelsmarine ausgefragt, man wollte mich zu einem Sonderauftrag nach Murmansk schicken, aber als sie hörten, dass mir hauptsächlich die finnischen Häfen bekannt waren, sagte man mir, sie müssten sich erst noch überlegen, welchen Auftrag ich dann übernehmen könne, Murmansk käme für mich nicht in Frage. Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn der Auftrag war mir nicht ganz geheuer. Ich fuhr erst mal zu meiner Familie nach Wilhelmshaven und da gerade Weihnachten war, freuten wir uns alle, nach so langen Jahren endlich einmal an diesem Festtag zusammen sein zu können. An die pausenlosen Fliegerangriffe hatten wir uns schon gewöhnt und eine ganze Nacht im Bett bleiben zu können, gehörte zu den Seltenheiten.

Meine Reederei hatte mich inzwischen schon reklamiert und man gab mich eines Tagen auch tatsächlich an H.M.G. ab. In Hamburg wurde ich zunächst einmal Inspektor, denn der alte Inspektor war als Begleitoffizier eingezogen. Die Zeit in Hamburg war nicht gerade sehr schön, denn die ewigen Fliegerangriffe, die mehr und mehr an Stärke zunahmen, gingen uns allmählich auf die Nerven. Hamburg und Wilhelmshaven, die beiden Städte, die mir teils beruflich, teils familiär am Herzen lagen, hatten allerlei auszuhalten und so wurde dann auch im März meine Wohnung in Wilhelmshaven zerstört.

Von meiner Firma bekam ich sofort Urlaub, um von meinen Möbeln noch retten zu können, was zu retten war. Wochenlang haben wir in den Trümmern herumgesucht und alles, was noch brauchbar war, verpackt und sichergestellt. Nur durch die Hilfsbereitschaft einiger guter Freunde, die uns Soldaten und Packmaterial zur Verfügung stellten, gelang es uns, einen Teil unserer Sachen zu bergen. Wir stellten dann alles in einem Bauernhof bei Peine unter. Durch die vielen Strapazen in der Zeit, zog ich mir eine schwere Lungenentzündung zu und so musste ich noch wochenlang als schwerkranker Mann in Wilhelmshaven bleiben. Während der Luftangriffe, die praktisch jede Nacht erfolgten, trug man mich in den Schutzkeller. Als ich dann einigermaßen wieder hergestellt war, ich hatte 40 Pfund abgenommen, fuhren wir nach Hamburg, und einige Tage später reiste ich zur Erholung nach Freiburg, wo ich von meiner Frau erwartet wurde. Sie war schon Wochen vorher nach Freiburg gefahren, weil sie die Angriffe nicht mehr ertragen konnte und sich dort erholen sollte. Von der Schwere der Krankheit hatten wir ihr nichts gesagt, um sie nicht zu beunruhigen und so bekam sie einen furchtbaren Schreck, als sie mich in Freiburg am Bahnhof in Empfang nahm. In einem kleinen Schwarzwalddorf nahe der Schweizer Grenze erholte ich mich aber so schnell, dass man mich einige Wochen später in Hamburg kaum wiedererkannte, so dick war ich geworden. Meine Frau fuhr in Steinen mit dem Rad zu den Bauern und ergatterte für mich Milch und Eier, dadurch hatte ich mich so schnell wieder erholen können.

Bald aber trat ich meinen Dienst als Inspektor wieder an und dann begann die Zeit, in der der Feind es hauptsächlich auf Hamburg abgesehen hatte. Mein Sohn, der in Hamburg verheiratet war und dort bei seinen Schwiegereltern eine nette Wohnung hatte, stellte uns diese Wohnung zur Verfügung, denn er musste an die Ostfront und seine Frau wollte in einem Krankenhaus als Ärztin tätig sein. Die Villa war am 25. Juli 1942 von einer Bombe getroffen worden, konnte aber wieder repariert werden. Ein Jahr später im Juli waren dann auch die Handwerker fertig und das ganze Haus sah wie neu aus. Wir schafften unsere Koffer nach Wandsbek, hatten auch schon viele Sachen aus Wilhelmshaven dorthin geschickt und wollten am 26. Juli einziehen.

Am 25. abends um elf Uhr fuhren meine Frau und ich noch einmal zur Gryhiusstrasse um dort noch eine Nacht bei meiner Schwester zu verbringen. Schon unterwegs überraschte uns der Fliegeralarm, aber wir kamen noch in den Schutzraum. Als dann Entwarnung war, brannte es an allen Ecken der Stadt und besonders über Wandsbek war der Himmel blutrot. Hamburg hatte den ersten Tag der Terrorwoche erlebt. Unvorstellbar das Elend auf den Straßen, die vielen Toten, Chaos überall. Mein Sohn rief dann aus Wandsbek an, dass wir nicht mehr einziehen könnten, denn die ganze Straße und auch das Haus seiner Schwiegereltern sei ein Schutthaufen. Nur das nackte Leben konnten sie retten. Wir waren der Verzweiflung nahe und auf dem Weg zu den Kindern durch brennende Straßen liefen uns die Tränen die Wangen herunter und nur der Gedanke, dass unsere Lieben heil davongekommen waren, tröstete uns.
Meine Frau, mein Sohn, meine Schwiegertochter und mein Enkel fuhren noch am gleichen Tag fort. Wo sollten sie auch bleiben? Meine Schwägerin und ich blieben noch in Hamburg, aber am nächsten Tag waren die Angriffe noch schlimmer. Wir verbrachten dann die nächsten Nächte außerhalb Hamburgs. Tagsüber brachte ich mit unseren Schiffen viele Flüchtlinge aus Hamburg heraus, es war ein trostloser Anblick, all die verzweifelten Menschen zu sehen und nicht helfen zu können, weil man ja auch nur einer von den vielen war.

Die Tochter meiner Schwester wohnte in Hamburg-Hamm, verließ uns nachmittags, um nach ihrer Wohnung zu sehen. Sie versprach uns, gegen Abend zurück zu kommen, es kam Alarm, Angriff auf Hamm, und wir haben nie wieder etwas von der Tochter meiner Schwester gesehen. Sie muss bei den teuflischen Angriffen irgendwo verbrannt sein. Gesucht haben wir nach ihr in den zerstörten Straßen, aber kein noch so kleiner Anhaltspunkt war zu finden. Heute ruht sie sicher in einem der Massengräber.

In Hamburg konnten wir nun auch nicht mehr bleiben und so fuhren wir nach Volksdorf, dort war ein Auffanglager für Flüchtlinge eingerichtet worden. Die N.S.V. versorgte all die armen Menschen so gut es ging und so lange, bis ein Weitertransport möglich war. Ich weiß nicht, wie viel tausend Menschen in diesem kleinen Ort warteten, es war wie in einem Ameisenhaufen, dabei eine unvorstellbare Hitze. Wir schliefen in der Walddörferschule auf der Erde. Man hatte etwas Stroh in die Klassen geschüttet, aber an Schlaf war sowieso nicht zu denken.
Fahrzeuge aller Art brachten laufend neue Flüchtlinge aus Hamburg, und selbst die runden Müllabfuhrwagen spuckten diese Unglücklichen aus. Es war in diesen Tagen allen egal, nur raus aus dem Hexenkessel, mag wohl jeder gedacht haben. Nach einigen Tagen kamen Lastwagen und holten die Menschen ab. Wir fuhren nach Ahrensburg, um dort zu versuchen, einen Zug nach Rotenburg zu bekommen. Aber um dorthin zu kommen, musste man über Lübeck, Büchen und Lüneburg fahren, weil die Elbbrücken zerstört waren. Wir brauchten nahezu 12 Stunden, um in Rotenburg anzukommen. Hier begann für uns eine Zeit, an die wir nicht gerne zurück denken, denn der Aufenthalt war eigentlich nur als Übergang gedacht und dauerte 14 Jahre. Wir haben das Schicksal vieler Ausgebombter und Flüchtlinge geteilt, mit all seinen Schikanen und Unzulänglichkeiten. Wir sehnten uns nach einem eigenen Heim, aber wir mussten lange darauf warten.

Von Rotenburg aus setzte ich meinen Dienst bei H.M.G. fort, fuhr jeden Tag nach Hamburg und kam oft erst spät in der Nacht nach Rotenburg zurück, weil unterwegs die Züge immer wieder angegriffen wurden. Im Oktober musste ich nach Schweden, um ein Schiff von H.M.G., den Dampfer "STOCKHOLM", der einen Zusammenstoß hatte und in 25 Meter Wassertiefe gesunken war, zu bergen. Die Versuche der Bergungsdampfer, das Schiff zu heben, gelangen und es wurde nach Oskarshamn eingeschleppt. Die Reparatur sollte aber in Schweden so viel kosten, dass wir das Schiff dort nur notdürftig reparierten und dann von dem Bergungsdampfer nach Hamburg bringen ließen. Diese Behelfsreparatur kostete auch schon 40.000 Kronen. Die Havarie verschaffte der Besatzung ausnahmsweise mal eine Weihnacht bei Muttern. Ungefähr ein ganzes Jahr nahm die Reparatur in Anspruch und so konnte die "STOCKHOLM" erst im Dezember 1944 wieder in Dienst gestellt werden. Als erste Ladung war Düngemehl nach Norwegen zu bringen. Die Besatzung kam wieder vollzählig an Bord und Kapitän Fock, wir nannten ihn nur den kleinen Fock, fuhr seine erste Reise als Kapitän. Er war ein guter Seemann und verstand auch viel von der Navigation. Die Reise ging nach Bergen, durch den Kanal, Belt, Skagerrak bis nach Stavanger, natürlich unter Geleitschutz von Minensuchbooten. Eine kurze Strecke konnten die Hoheitsgrenze nicht gehalten werden und da wurden sie von englischen U-Booten torpediert. Niemand wurde gerettet, denn die Engländer fischten keine Schiffbrüchigen auf, jedenfalls nicht in diesem Fall. Uns tat es sehr leid, dass Kapitän Fock seine erste Reise als Kapitän gleich mit dem Leben bezahlen musste und auch die übrige Besatzung, die ein ganzen Jahr auf ihr Schiff gewartet hatte, musste nun doch noch ein Opfer dieses unseligen Krieges werden.

Wiederbeginn nach dem Krieg

Im Mai 1945 war der Krieg zu Ende und so konnte ich mein Amt an Herrn Richters zurückgeben und erst mal zu Hause bleiben. Zehn Schiffe hatte meine Reederei verloren, eins bei Tobruk, zwei waren von den Russen beschlagnahmt worden, fünf Schiffe holten sich die Russen noch im Hamburger Hafen, die Besatzung musste die Schiffe verlassen und der Russe setzte sich darauf fest. Zwei Schiffe nahmen sich dann noch die Engländer. Es verblieben H.M.G. nur noch fünf Schiffe und so kam es, dass eines Tages der 1499 BRT große Dampfer "Söderhamn" der Reederei H.M. Gehrkens das größte Schiff der deutschen Handelsmarine war. Das war nun der Stolz der deutschen Handelsflotte.

1946 nahm ich meinen Dienst wieder auf, und nun galt es, die von den Siegern abgeholzten deutschen Wälder nach England zu bringen, im bunten Wechsel mit "PIETA", "BAUMWALL", "SÖDERHAMN" und "HAPARANDA" sowie "HERNÖSAND" nach verschiedenen englischen Häfen.

1951 durften wir mit gütiger Erlaubnis der Sieger die ersten Schiffe auf Stapel legen, aber sie mussten genau nach Vorschrift gebaut und auch nur noch mit Kohlen befeuert werden. Man taufte sie auf die Namen ihrer Vorgänger „BROOK" und „WANDRAHM". 1952 wurden diese Neubauten im Hamburg-Westafrika-Dienst eingesetzt. Im Jahre 1953 erlaubte uns der Tommy dann, die Schiffe auf Ölfeuerung umzustellen, denn die Kohlenfeuerung war unrentabel geworden. Es ging wieder aufwärts mit uns und laufend wurden neue Schiffe gebaut.

Ich durfte auch mit meinen bald 75 Jahren noch manche Reise auf diesen Schiffen machen und war verschiedene Male in Afrika.

50 Jahre H.M.G.

Mein 50jähriges Jubiläum hat mir meine Reederei ganz besonders festlich gestaltet. Sie gab mir zu Ehren ein Essen auf der "SEUTEN DEERN" und da merkte ich doch, dass man meine Tätigkeit anerkannte und ich habe mich sehr über die Ehrung gefreut.

Das 125jährige Jubiläum der Reederei H.M.Gehrkens wurde sehr festlich begangen und ich durfte auch an dieser Feier im Hamburger Ratskeller teilnehmen. Viele prominente Hamburger und auch viele ausländischen Gäste waren anwesend, es wurden große Reden gehalten und die Stimmung war hervorragend.

Besonders freute ich mich immer, wenn ich eine Probefahrt mitmachen durfte. Ich weiß nicht, ob man mich verstehen kann, aber wenn man wie ich fast sein ganzes Leben bei der Seefahrt verbracht hat und davon noch die meiste Zeit bei der selben Reederei gearbeitet hat, so nimmt man an allem teil, was die Reederei angeht, man hat das Gefühl, als gehörte man doch dazu. Ich bin nun endgültig in den Ruhestand getreten, aber mein Herz ist doch in Hamburg bei meinen Schiffen und H.M.G. geblieben.

Es gibt nichts, was mich, soweit es die Firma angeht, nicht interessieren könnte. Im Hamburger Abendblatt verfolge ich stets die Routen der Schiffe und dann wünsche ich mir immer, wieder am Anfang meiner Laufbahn zu stehen.

1956 machte ich mit meiner Familie eine Reise nach Finnland und Schweden, zum ersten Mal als Passagier, aber die meiste Zeit war ich wie in alten Zeiten auf der Brücke. Otto Harms, einer unserer Prokuristen und ein guter Freund von mir, fuhr auch mit. Wir haben gemeinsam unvergesslich schöne Stunden verlebt und auch all unsere Erlebnisse aus früherer Zeit wurden wieder lebendig. Die beiden Brüder Harms, Paul und Otto sind beide, ich möchte sagen Bestandteil der Reederei H.M.Gehrkens, in ihren Händen liegt viel Verantwortung und so lang ich denken kann, haben sie ihre ganze Arbeitskraft in den Dienst der Reederei gestellt und haben bestimmt einen ganz großen Anteil an den Erfolgen der Firma und am Aufbau der H.M.G.-Handelsflotte.

So will ich nun meine Erinnerungen beenden. Ich bin dem Schicksal dankbar, dass ich noch erleben durfte, dass meine Reederei wieder eine schöne ansehnliche Flotte hat, der ich allezeit glückliche Fahrt wünsche. 60 Jahre meines Lebens habe ich bei der Seefahrt verbracht, aber wenn ich noch einmal zu wählen hätte, ich würde wieder Seemann werden, denn mein Leben gehört der Seefahrt und wie alt ich auch werden mag, das Wasser und die Weite des Meeres lassen mich niemals los.

Wilhelmshaven, den 1.April 1957

Johannes Hubert verstarb am 23. Mai 1957, also etwa sieben Wochen nach Niederschrift seiner Lebenserinnerungen „plötzlich und unerwartet“ im Alter von 77 Jahren.


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